Sarg niemals nie
zurückzuhalten. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass John und die fünf Vampire nicht minder verblüfft waren und beunruhigte Blicke wechselten. Obwohl praktisch alle, denen ich begegnete, das Gegenteil behaupteten, war ich nach wie vor fest davon überzeugt, kein Vampir zu sein. Trotzdem schien es mir wenig ratsam, dieses Thema in Gegenwart eines hauptberuflichen Vampirjägers zur Sprache zu bringen. Nachdem ich keinen allzu großen Erfolg damit gehabt hatte, andere von meiner Menschlichkeit zu überzeugen, zog ich es vor, mich zu dieser Frage vorläufig auszuschweigen. Nach einer langen Weile und vielen verstohlenen Blickwechseln ergriff ich schließlich das Wort.
»Ein Vampirjäger? Ich … ich wusste gar nicht, dass es diesen Beruf überhaupt gibt.«
»Und ob«, erklärte der Polizist und musterte mich durchdringend. »Da ich mich Ihnen vorgestellt habe, wüsste ich nun auch gern Ihren Namen.«
»Beard«, antwortete ich, denn es schien mir angebracht, ihm meine wahre Identität zu verheimlichen. Frederick Whithers galt immerhin als tot. »Oliver Beard.«
»Aber Sie dürfen auch Frederick zu ihm sagen«, warf John ein. »So nennen ihn alle seine Freunde.« Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
»Ich habe nicht die Absicht, dem elitären Zirkel beizutreten, der sich als Ihr Freundeskreis zu bezeichnen die Ehre hat«, entgegnete Inspector Herring würdevoll. »Hingegen erführe ich wirklich gern, was sieben Männer veranlasst, sich in einer dunklen Gasse zu treffen.«
»Das hat ganz bestimmt nichts mit Vampiren zu tun«, warf Schwarz erregt und mit schriller Stimme ein. Er lächelte und hielt sich dabei die Hand vor den Mund, wodurch das Lächeln gleich wieder sinnlos wurde. Die anderen vier folgten seinem Beispiel, einer kicherte sogar aufgeregt.
»Wir tun hier überhaupt nichts.« Ich legte den Arm um den nächsten Vampir und schüttelte ihn kräftig. »Nur ein Treffen alter Freunde, die sich zufällig im Unrat einer schmutzigen Londoner Gasse begegnet sind. Nichts weiter.«
»Alte Freunde?«, fragte der Beamte. »Vielleicht sogar alte Schulkameraden?«
»Genau.«
»Könnten Sie mir sagen, wo Sie zur Schule gegangen sind?«
»In Bath«, erklärte John mit verzerrtem Lächeln. »Wir kommen gerade von dort.«
»Bath?« Der Polizist zog die Augenbrauen hoch. »In Bath kommt es derzeit zu seltsamen Ereignissen, habenSie noch nicht davon gehört? Aus Gräbern verschwinden die Leichen.«
In diesem Moment wollte mein Körper erschrocken aufkeuchen, doch ich schaffte es, den Mund fest zu schließen, ehe mir das verräterische Geräusch entschlüpfte, was im Endeffekt verdächtig nach einem Schluckauf klang.
»Ist Ihnen nicht gut?«
»Nur das Mittagessen«, erklärte ich hastig. »Viel zu fett, überhaupt nicht wohlschmeckend.«
»Ich fand es sehr bekömmlich«, erwiderte der Inspector.
»Dann waren Sie es!«, rief John und deutete mit einem langen Finger auf den Mann. »Sie verfolgen uns schon den ganzen Tag.«
»So ist es.« Der Beamte nickte bedächtig. »Und ich beabsichtige, damit fortzufahren, bis ich herausgefunden habe, was ich wissen muss.«
»Und was wäre das?«, fragte ich.
»Ich suche nach einem leckeren Feigenpudding«, antwortete er, während er die Lippen zu einem völlig humorlosen Lächeln verzog. »Ich bin ein Vampirjäger, Sie Dummkopf. Und wonach suche ich dann wohl? Nach den Kindern der Nacht, die im Schatten lauern und das Blut Unschuldiger trinken …«
Da öffnete sich plötzlich hinten in der Gasse die Seitentür der Bank, und in dem winzigen Augenblick, als das Licht herausfiel, erkannte ich Gwens Bruder Percy. Sogleich wandte ich mich wieder an den Inspector und zermarterte mir das Hirn, wie ich der vertrackten Situation entkäme.
Ich trat auf den Polizisten zu und lächelte. »Die Vampire, die das Blut Unschuldiger trinken? Sie meinen, Siejagen Vampire, die tatsächlich Blut trinken? Oh!« Ich schüttelte den Kopf, als hätte ich einen schrecklichen Fehler begangen. »Ich dachte, Sie meinten es metaphorisch, also jenen Menschenschlag, der … nun ja, Sie wissen schon.«
»Jenen Menschenschlag, welcher die Massen unterdrückt«, sprang mir John bei. »Industriebarone und so weiter, die von der Arbeit der unterprivilegierten Fabrikarbeiter leben.«
»Genau.« Ich nickte eifrig. »Ich dachte, Sie meinten diese Art von Vampiren. Wenn Sie wirklich nach echten blutsaugenden Vampiren suchen, dann werden Sie feststellen, dass die Beschreibung ganz gut auf jene fünf Herren
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