Sarg niemals nie
euch.«
»Na gut«, lenkte die Stimme ein. »Aber soll das heißen, Sie wissen es nicht?«
»Was weiß ich nicht?«, empörte sich Herring.
»Sie wissen nicht, wie ein Vampir aussieht, solange Sie ihn nicht persönlich kennen?«
»Ich wäre ein schöner Vampirjäger, wenn ich nicht wüsste, wie ein Vampir aussieht.«
»Das überlege ich mir ja gerade«, fuhr die Stimme gelassen fort. »Wenn Sie kein guter Vampirjäger sind, dann sollten wir vielleicht besser keinen Vampir suchen, weil niemand etwas mit ihm anzufangen weiß.«
»Und sehr sportlich ist es auch nicht.«
»Wenn er kein guter Vampirjäger ist, dann jagen wir vielleicht auch keinen guten Vampir, und es besteht keine große Gefahr«, warf jemand anders ein.
»Wenn es nicht gefährlich ist, dann tun wir es einfach!«, rief Herring, der ob der Verzögerung offenbar recht gereizt war. »Hört auf, euch zu drücken, und macht euch bereit!«
»Also ist er entweder überhaupt keine Bedrohung«, ließ sich eine Stimme vernehmen, »oder er springt aus dem Sarg heraus und bringt uns alle um. Eigentlich bin ich gar nicht mehr so scharf darauf, einen Sarg zu öffnen.«
»Nun hört mir gut zu«, sagte Herring nachdrücklich. Ich malte mir aus, wie er da vor meinem Sarg stand, sich aufrichtete und so tat, als könnte ihn nichts erschüttern. »Der Vampir, den wir jagen, ist der gefährlichste, den es je auf Erden gab, denn er ist der Erhabene. Ein Dämon der Finsternis, der die Seelen der Menschen verschlingt. Er hat schon einen Bestattungsunternehmerin London und einen Kutscher hier in Bath getötet, und wenn wir ihn nicht sofort an Ort und Stelle vernichten, dann wird er unter seinem Banner ein Heer von Vampiren sammeln und auf der ganzen Welt so viel Angst und Schrecken verbreiten, dass sogar die Steine verzweifelte Tränen vergießen.«
Ein Kutscher?, dachte ich. Wer hat einen Kutscher getötet?
»Flieht nicht!«, rief Herring. »Dies ist eine einmalige Gelegenheit, und wenn wir zuschlagen, bevor sein Heer sich erhebt, vernichten wir ihn für alle Zeiten. Wenn ihr davonlauft, müsst ihr den Rest eures Lebens davonlaufen.«
Die Gruppe verstummte, nur die Fackeln knackten noch. Ich wünschte mich weit weg.
»Ich öffne nun den Sarg, und ich sage euch voraus, was ich erblicken werde. Einen Mann, in dessen Augen das Böse schimmert und der den Pesthauch des Todes verströmt. Er trägt einen schwarzen Mantel und ruht wie alle Vampire auf einer Schicht Erde. Es ist die Erde seiner Heimat, damit er sich erholt und seine Kräfte erneuert, nachdem er umgegangen ist und Schrecken und Tod verbreitet hat.«
Erst in diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass ich noch immer den Mantel trug, den ich mir von Percy geborgt hatte – einen langen schwarzen Mantel, den ich eng um mich gewickelt hatte, bevor ich in den Sarg gestiegen war. Während ich mich wand und mir überlegte, wie ich mich des Kleidungsstücks entledigen konnte, wurde mir zu meinem Entsetzen noch etwas bewusst – in dem Sarg lag noch die Erde, die sich schon im Bestattungsinstitut darin befunden hatte. Verzweifelt überlegte ich mir, ob ich irgendwie entkommen könnte,ehe man mich fand, aber es war zu spät. Der Deckel des Sargs flog zur Seite, und da stand Inspector Herring im Fackelschein vor mir und hielt einen Holzpflock in der Hand. Einen Augenblick lang verharrte er mit offenem Mund, als wäre er überrascht, mich tatsächlich gefunden zu haben, doch er fing sich rasch wieder und trat einen Schritt zurück.
»Seht!«, rief er. »Es ist genauso, wie ich es euch gesagt habe.« Die Menge, die sich um ihn drängte, wich keuchend zurück, viele bekreuzigten sich.
»Es ist nicht so, wie es zu sein scheint.« Ich richtete mich auf. Ringsum war ich von Männern und Frauen umgeben, die Fackeln und scharfes Werkzeug bei sich hatten. »Es gibt eine ganz einfache Erklärung dafür, dass ich mitten in der Nacht auf einem Friedhof in einem Sarg liege, aber das hat nichts mit Vampiren zu tun.«
»Er liegt wirklich auf einem Haufen Erde«, sagte ein Mann hinter mir. »Und ich dachte, der Inspector hat das nur erfunden.«
»Und die Erde«, fügte ich rasch hinzu, »auch für die Erde gibt es eine ganz einfache Erklärung.«
»Woher stammt die Erde denn?«
»Sie stammt von diesem Friedhof. Ich habe sie nicht einmal hineingeschaufelt, aber ich weiß, woher sie kommt.«
»Und woher kommst du?«
»Ich bin einer von euch.« Ich stand auf. »Einige von euch dürften mich sogar kennen. Ich stamme wie ihr aus
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