Sarg niemals nie
sie dich für den Ghul von Bath halten.«
»Wohin? Es gibt keinen Ausweg mehr für mich. Ich bleibe lieber hier, ein leerer Mann unter den leblosen Hüllen der Verstorbenen.«
»Warum konnte ich keinen Maler oder Cellospieler treffen?«, stöhnte ich. »Jeden, nur keinen romantischen Poeten.«
»Geh ohne mich, Frederick, du hast dein Leben noch vor dir. Oder dein Nichtleben … oder was auch immer.«
Mit einem Quietschen, das mich an einen gefolterten Teufel gemahnte, öffnete sich das Tor des Friedhofs.
»Komm schon, John!«, sagte ich. »Auch du hast dein Leben noch vor dir. Du magst zum Beispiel Würstchen, auch wenn du sie nicht isst. Und du reimst gern. Das liebst du doch.«
»Ich mag das Reimen, ja.«
»Dann lass uns reimen«, ermunterte ich ihn, während ich einen Blick über die Schulter wagte. Die Meute hatte neuen Mut geschöpft und näherte sich.
»Gruft«, sagte er. »Gruft, Schuft, Totengräberkluft.«
»Vielleicht sollten wir uns etwas Fröhlicheres ausdenken. Wie wäre es mit Reisen? Warst du schon mal in Rom?«
»Ist es eine schöne Stadt?«
»Ich war selbst noch nicht da, aber wenn wir hier auf dem Friedhof herumsitzen, gelangen wir sicher niemals dorthin.«
»Ich würde gern nach Rom reisen«, sagte John langsam.
»Dann steh auf!« Die Meute hatte uns fast erreicht. »Wenn wir mein Geld haben, lade ich alle nach Rom ein. Aber zuerst müssen wir von hier verschwinden.« Ich zupfte ihn am Ärmel, doch er rührte sich nicht. Der Mob kam immer näher.
»Verdammt!« Ich ließ Johns Arm los, er sank zurück auf die Erde, und ich sah mich voller Verzweiflung um.Mein Blick fiel auf die Särge. Rasch drehte ich den Sarg der alten Frau um und deckte ihn über Johns Körper, nachdem ich ihm die Arme eng an die Seiten gelegt hatte. Dann sprang ich im letzten Augenblick in Harrys offenen Sarg und zog den Deckel über mich. Im Dunkeln hielt ich den Atem an und lauschte.
Die Dorfbewohner kamen langsam und vorsichtig heran, gaben sich aber keine Mühe, leise zu sein. Sie rochen nach Knoblauch. Ich hoffte inbrünstig, sie würden sich nur umsehen und rasch weitergehen, doch sie blieben vor dem offenen Grab stehen und tuschelten ängstlich miteinander.
»Ich dachte, ich hätte was gehört«, meinte einer.
»Ja, da hat jemand geschrien«, stimmte ein anderer zu.
»Nein«, sagte der Erste. »Nach dem Schrei. Ein Klappern.«
»Still!«, zischte der Dritte. Es war Inspector Herring. Sie waren gar nicht hinter dem Ghul her, sondern hinter mir!
»Er muss irgendwo hier sein«, sagte eine Frau, die ich ebenfalls sofort erkannte. Es war Gwen, und sie war zweifellos entschlossen, den Toten selbst zu finden, das Erbe zu beanspruchen und mich nebenbei pfählen und umbringen zu lassen. Weiber.
»Wir haben einen Schrei gehört«, wiederholte Herring, »also wissen wir, dass er sich in der Nähe aufhält und das Blut einer wehrlosen Jungfer trinkt. Seid vorsichtig, Männer – nur zusammen sind wir seinen übernatürlichen Kräften gewachsen.«
Sie trampelten umher, murmelten leise miteinander und verständigten sich hin und wieder durch einenRuf. Die Fackeln knackten wie brechende Knochen, und die Harken, Mistgabeln und Schaufeln prallten mit unheildrohendem Klirren gegen die Grabsteine und gegeneinander. Nach einer Weile ergriff wieder einer das Wort.
»Er ist doch ein Vampir, oder? Dann sollten wir in den Särgen nachsehen.«
Bath · Nacht
Starr vor Entsetzen lag ich im Sarg und hörte die anderen zustimmend murmeln. Das Gemurmel wurde lauter, als sich Schritte näherten.
»Woher wissen wir, ob es ein Vampir ist oder einfach nur ein toter Mensch?«, fragte ein schüchternes Stimmchen ganz hinten in der Menge.
»Oh, das merkt man schon«, erklärte Inspector Herring. »Wenn er aufspringt und uns angreift, ist es offensichtlich.«
»Aber wenn er nun schläft?«, wandte derselbe Frager ein. »Ich meine, deshalb liegt er doch im Sarg, oder? Sollen wir ihn wirklich wecken?«
»Aber natürlich wecken wir ihn!«, rief Herring.
»Und wenn er sehr tief schläft?«, fragte die Stimme.
»Ich weiß nicht …«, wandte ein anderer ein. »Mir scheint es ratsamer, ihn anzugreifen, ohne ihn zu wecken.«
»Wie merken wir dann, ob er es ist?«
»Und sehr sportlich ist es auch nicht«, meinte ein Dritter.
»Regt euch nicht auf!«, brummte Inspector Herring unwirsch. Er stand meinem Sarg näher, als es mir liebwar. »Die Lady und ich verfügen über die notwendigen Kenntnisse, und wenn er es ist, dann sagen wir es
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