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Sarg niemals nie

Sarg niemals nie

Titel: Sarg niemals nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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auf. »Das ist die schlimmste Beleidigung, die mir bisher widerfahren ist. Als ich die Einzige war, war ich noch etwas Besonderes, und ich dachte, vielleicht willst du mich als Gefährtin haben – die Königin der Verdammten ist schließlich immer noch besser als gar nichts. Aber nein, du verbreitest dein Unwesen über ganz England, beißtnach Herzenslust alle möglichen Leute, Frauen und Männer und dicke, fette Bestatter …«
    Es klopfte an der Tür.
    »Ist das mein Onkel?«, fragte Gwen, auf einmal viel leiser.
    »Hoffentlich«, flüsterte ich. »Ich kann keine Überraschungen mehr brauchen. Geh ins Hinterzimmer und warte dort mit John und Mary.«
    »Wer ist Mary?«, fragte sie aufgebracht. »Eine weitere Gefährtin?«
    »Sie hat dich bewusstlos geschlagen«, erläuterte ich Gwen. »Geh!« Ich schob sie den Flur entlang, und sie stolzierte verärgert zur hinteren Tür. Als sie um die Ecke verschwunden war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, wandten Spilsbury und ich uns wieder zum Vordereingang um.
    Abermals klopfte es.
    »Hat Mary Ihnen von dem Sarg erzählt?«, fragte ich leise. »Sie wissen doch, dass er leer ist, oder? Niemand darf hineinsehen, niemand darf ihn anheben oder sonst wie bewegen.«
    »Nach meiner Erfahrung als Bestatter kommt es nur höchst selten vor, dass die Trauergäste den Sarg hochheben«, beruhigte er mich.
    »Seien Sie vorsichtig!«, ermahnte ich ihn. »Wir führen die Gäste in die Kapelle, halten die Trauerfeier ab und schicken sie wieder weg. Keine weiteren Komplikationen, keine Probleme.« Ich trat vor, öffnete die Tür und ging sofort in Deckung.
    Drei und nicht zwei Leute standen draußen: Percy, Mister Gaddie und Hauptwachtmeister Barrow von der Polizei in Bath. Der Mann, der meinen Prozess verfolgt und die Papiere für meine Haft unterzeichnet hatte.
    Mister Spilsbury stand stocksteif im Flur. Seine Fähigkeiten als Bestatter traten vorübergehend in den Hintergrund, da er sich vor der Sonne fürchtete, die durch die offene Vordertür hereinfiel. Er blieb wohlweislich außer Reichweite, doch die Sonne erreichte fast seine Zehenspitzen. Weiter nach vorn wagte er sich nicht. In meinem Versteck hinter der Tür nickte ich energisch, dass er etwas sagen solle, doch er lächelte nur unsicher.
    »Nun?«, dröhnte Mister Gaddie. »Ist die Beerdigung vorbereitet?«
    Spilsbury schwieg.
    »Natürlich ist sie vorbereitet«, sagte ich hinter der Tür.
    »Wer war das?«, fragte Gaddie.
    »Folgen Sie einfach nur meinem Kollegen in die Kapelle, dann können wir beginnen.« Spilsburys Miene hellte sich sichtlich auf. Er winkte feierlich zur offenen Tür hinüber. Ich kehrte den drei Besuchern den Rücken und stürzte zum nächsten Büro, riss die Tür auf und schloss sie so rasch und höflich hinter mir, wie es nur möglich war.
    »Was ist denn mit dem los?«, fragte Mister Gaddie unwirsch. Er blieb unmittelbar vor meiner Tür stehen. »Ich hoffe, es ist bald behoben, was es auch sein mag. Dies ist James Barrow, der Hauptwachtmeister aus Bath und engster Freund des verstorbenen Harold Beard. Er ist schon vor zwei Tagen in die Stadt gekommen, um der Beerdigung beizuwohnen. Wir wollen ihn nicht länger warten lassen.«
    Die Gäste schlurften vorbei, die schwere Eingangstür wurde geschlossen.
    Kann es noch schlimmer werden?, fragte ich mich im Stillen.
    »Warum ist es hier so finster?«, fragte Mister Gaddie in der Kapelle so laut, dass ich ihn mühelos verstand. »Dies ist ein Bestattungsunternehmen, keine Gruft.« Dann hörte ich Metallhaken auf einer metallenen Vorhangstange schleifen. Offenbar hatte er die Vorhänge eigenmächtig geöffnet, und nun flutete das Sonnenlicht in die Kapelle.
    Na gut, dachte ich, es kann nicht noch schlimmer werden.
    Ich lehnte mich gegen die Tür, um nachzudenken, wie es weitergehen sollte. Als ich mich in dem vornehm eingerichteten Büro umsah und mein Blick über Bücherregale, Weltkugeln, geschmückte Tintenfässchen und andere Gegenstände wanderte, die von einträglichen Geschäften zeugten, bemerkte ich endlich auch den bewusstlosen großen Mann, dessen Oberkörper auf den Schreibtisch gesunken war. Aus reiner Gewohnheit trat ich näher und überprüfte seinen Hals. Mittlerweile war ich so abgestumpft, dass ich nicht einmal zusammenzuckte, als ich gleich unter dem Ohr zwei Bissmarken entdeckte. Das konnte nur eins bedeuten: Harry war uns von Bath aus hierher gefolgt. Er beschattete uns schon seit der ersten Nacht auf dem Friedhof und hatte eine

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