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Sarg niemals nie

Sarg niemals nie

Titel: Sarg niemals nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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breite Leichenspur hinterlassen. Anscheinend war er am Morgen hergekommen, gleich nachdem Mary mit der Vorbereitung von Gustavs Sarg begonnen hatte, um Archibald Beard zu töten, ehe dieser zur Bank aufbrechen konnte. In der Bank war Harry dann zu spät eingetroffen und hatte uns verpasst. Möglicherweise hatte er, wie es seine Gewohnheit war, einen Schreiber getötet, weil er nun schon einmal dort war, um uns dann zurück zum Beerdigungsinstitutzu verfolgen. Demnach konnte er jeden Augenblick auftauchen.
    »Nun gut«, sagte ich laut und sah mich in dem Büro um, als erwartete ich, in der Ecke eine Schicksalsgöttin zu entdecken, die wie eine Spinne ein grausames Netz knüpfte und mich böse angrinste. »Es kann wirklich nicht mehr schlimmer werden.«

London · Sonnenuntergang
    Hinten in Mister Beards Raum gab es eine zweite Tür, die, wie ich sogleich entdeckte, in Mister Spilsburys Büro führte. Von dort aus schlich ich mich in den Flur. Von der Kapelle aus konnte mich niemand sehen. Mister Spilsbury stand noch im Gang herum und starrte zitternd in die Kapelle.
    »Worauf warten Sie?«, flüsterte ich.
    »Das Sonnenlicht«, flüsterte er zurück.
    »Überall?«
    »Nicht überall«, antwortete er stockend. »Nur ein paar Streifen und Flecken auf dem Boden.«
    »Dann gehen Sie hinein, und sagen Sie etwas«, drängte ich ihn. »Gehen Sie auf und ab, damit die Sonne Sie nicht erreicht.«
    Er holte tief Luft und trat kühn in den Raum. Gleich danach hörte ich, wie er zu einer langsamen, weitschweifigen Ansprache ansetzte. Unterdessen eilte ich zum Ende des Flurs und platzte in den Vorbereitungsraum hinein. Mary schenkte Gwen ein freundliches Lächeln, während John Letztere mit einem Gedicht zu betören versuchte, dessen Wortlaut ich glücklicherweisenicht verstand. Gwen hingegen bedachte die beiden mit eisigen Blicken.
    »Es gibt da eine Schwierigkeit«, sagte ich.
    »Nur eine?«, fragte Mary.
    »Zwei«, berichtigte ich mich. »Oder vielmehr zwei neue zusätzlich zu allen anderen, über die wir vorher gesprochen haben. Erstens: Harry ist hier.«
    »Hier im Beerdigungsinstitut?«, fragte John.
    »Im Moment nicht, soweit ich weiß«, antwortete ich. »Aber er war schon einmal hier. Er hat den anderen Bestatter getötet.«
    »Wer ist Harry?«, wollte Gwen wissen. »Den hast du schon einmal erwähnt.«
    »Harry Beard«, erwiderte ich und trat an den Tisch in der Mitte des Raums. »Er ist der Mann, dem wir neunzigtausend Pfund stehlen wollen.«
    »Natürlich ist er hier«, ereiferte sich Gwen. »Es ist schließlich seine eigene Beerdigung.«
    »Er ist nicht tot«, klärte ich sie auf. »Er ist ein Vampir. Genauer gesagt – er ist der Erhabene. Er hat dich übrigens auch in die Gasse geworfen.«
    »Wenn er heute Morgen herkam, dann ist er vermutlich danach zur Bank gegangen«, überlegte Mary. »Und nun kehrt er hierher zurück. Wie viel Zeit haben wir noch?«
    »Keine Ahnung«, gab ich zu. Ich stützte mich schwer auf den Tisch. »Aber wenn er kommt, darf niemand ihn sehen. Mich übrigens auch nicht.«
    »Warum darf dich niemand sehen?«, fragte John. »Gaddie hält dich für den Assistenten der Bestatter.«
    »Um Gaddie geht es nicht. Da drüben steht der Leiter der Polizei von Bath, Hauptwachtmeister Barrow. Erweiß, dass ich ein Sträfling bin, und er weiß auch, wie Harry aussieht. Wenn er einem von uns begegnet, ist alles vorbei.«
    In diesem Moment öffnete sich die Tür, die zur Kapelle führte, und Wachtmeister Barrow trat ein. Ich ging sofort hinter dem Tisch in Deckung und legte mich in Gustavs offenen Sarg.
    »Können wir endlich beginnen?«, fragte Barrow. »Wir haben eine Verabredung zum Dinner und möchten keinesfalls zu spät kommen.« Anscheinend hatte er mich nicht bemerkt, doch ich ging kein Risiko ein und blieb mucksmäuschenstill.
    »Natürlich, werter Herr«, sagte John rasch. Er eilte auf den Polizisten zu und drückte ihm kräftig die Hand. »Wenn Sie bitte in die Kapelle zurückkehren würden? Wir sind gleich bei Ihnen.«
    »Da draußen steht ein Mann, der behauptet, der Bestatter zu sein«, sagte der Wachtmeister. »Aber er weiß nicht einmal, wer die Trauerrede hält und wann die Feier beginnen soll. Er weiß überhaupt nicht viel und redet sehr langsam.«
    »Das ist bloß Mister Spilsbury«, erklärte John, während er Barrow am Ellbogen fasste und zur Tür schob. »Ihm gehört das Bestattungsunternehmen, aber er ist nur noch selten hier. Er ist nicht ganz richtig im Kopf, wenn Sie verstehen,

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