Sarum
der jahrhundertelang neben der Familienvilla gestanden hatte, niederreißen ließ, rettete Tarquinus die kleine Steinfigur daraus und errichtete ihr auf der Düne neben seiner eigenen Hütte einen bescheidenen Schrein. Von vielen Leuten der Gegend wurde der Alte gefürchtet, denn er war in der Kunst der Magie bewandert.
Er blickte die Germanen an. »Du hast sie also gebracht.« Petrus nickte. »Sie schlagen hier ihr Lager auf. Behalte sie im Auge… Mein Verwalter wird für eure Verpflegung sorgen«, wandte er sich an die Germanen.
Bevor er wegritt, erkundigte Petrus sich leise beim Hirten: »Wir haben doch heute nacht eine Zusammenkunft?«
»Alles ist bereit.«
Petrus ritt nach Hause. In der Villa suchte er nach seiner Mutter. Placidia saß schweigend bei Numincus. Sie hatte diesen Mann im Lauf der Jahre ins Herz geschlossen, nicht nur wegen seiner Anhänglichkeit ihr gegenüber, sondern weil sie erkannt hatte, daß der ruhige, bescheidene Mann viele Talente besaß.
Sie hatte ihn lesen gelehrt. Nun stand er nicht nur tagaus, tagein den Besitzungen vor, er schrieb mit ihr die Abrechnungen aus, die Constantius jahrelang kaum eines Blickes gewürdigt hatte. Placidia fühlte sich wohl in der Gesellschaft des Verwalters. Er war einer der wenigen Lichtblicke in ihrem Leben. Nun saß er auf einem Schemel ihr gegenüber.
»War es richtig, diese Germanen zu dingen?« fragte sie plötzlich. Er sah sie ernst an. »Ich glaube, ja. Die Villa muß verteidigt werden. Und du auch«, fügte er hinzu und errötete dabei. Sie lächelte. Sie wußte, daß er sie liebte. Da hörten sie Petrus kommen.
Constantius Porteus war beim Gebet. Seit dem Zwischenfall am Tag vorher war er zu beschämt, sich seiner Frau oder seinem Sohn zu nähern, und er verbrachte die Zeit allein. Er hatte nicht getrunken; so war sein Kopf endlich einmal klar. Er hatte Pläne zur Verteidigung der Villa gemacht, was er längst hätte tun sollen. Er wußte aber nicht, daß Petrus nach Venta geritten war. Als erstes, so entschied Constantius, wollte er Numincus und einige Männer bewaffnen.
Er hatte eine Zeitlang gebetet, als er plötzlich bemerkte, daß er nicht allein war. In der Tür standen seine Frau, Numincus und der Junge. Beim Anblick des roten Striemens quer über Placidias Gesicht errötete er. Da eröffnete Petrus das Gespräch.
»Die Germanen sind hier. Sie haben ihr Lager auf der Düne aufgeschlagen. Ich habe sie für ein Jahr gedungen.«
Constantius wurde bleich. Er zitterte. Die blinde Wut vom Vortag war milde gegen das, was er nun empfand. Doch heute war er nüchtern. Langsam stand er auf. Daß sein Sohn ihn bei seiner Aktion völlig übergangen hatte, traf ihn zutiefst. Alle beobachteten ihn jetzt: Die Augen des Jungen blickten kalt. Placidia sah bedrückt drein. In dem Versuch, so ruhig wie möglich zu bleiben, sagte er: »Du hast meine Wünsche nicht befolgt.«
»Nein, Constantius«, widersprach Placidia. »Ich bat ihn, diese Leute zu holen. Ich bitte dich inständig, das zu bedenken.«
»Und wie willst du deine Söldner bezahlen?« fragte er kühl. »Mit guten solidi«, antwortete sein Sohn. »Numincus sorgt für ihre Verpflegung. Wir haben genügend Getreide.« Constantius hob die Augenbrauen. »Welche guten solidi?«
»Meine«, sagte Placidia.
Constantius fuhr auf. Seine Stimme klang zwar rauh, aber noch blieb er beherrscht. »Da ihr beide diese Söldner gegen meinen Willen bezahlen wollt, habt ihr außerdem die Absicht, sie auf meinem Grund und Boden kampieren zu lassen?« Es kam keine Antwort. »Ich kann sie wegschicken«, fuhr er fort.
Nun zuckte Petrus die Achseln. »Es wird schwierig sein, sie zu vertreiben, denn sie sind bewaffnet.«
Dieser aufsässige Kerl! Constantius hatte sich noch immer in der Gewalt.
»Numincus«, sagte er leise, »du rufst sofort zwanzig Mann zusammen und bringst sie hierher. Dann gehen wir zur Düne, zahlen die Germanen aus und schicken sie weg. Geh!«
Er wartete, daß irgend etwas geschah. Doch Numincus neigte lediglich seinen runden Kopf mit dem schütteren Haar und starrte zu Boden. Alles blieb still.
Plötzlich kamen Constantius die Tränen. Man hatte ihn gedemütigt. Hier, im geheiligten Bezirk, hatte man ihm nichts gelassen, nicht den letzten Rest seiner Würde. Verzweifelt schickte er alle fort. Constantius wartete, bis das Geräusch der sich entfernenden Schritte verstummte. Als er allein war, sank er auf die Knie. Sein Körper wurde vom Weinen geschüttelt.
Es war Mitternacht, und der
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