Sarum
verschwunden. Es war Zeit zum Gebet.
Britannien stand seit nahezu vierhundert Jahren unter römischer Herrschaft. Nur im hohen Norden, jenseits des großen Walls Kaiser Hadrians, hatten sich die Pikten und die Skoten dem römischen Gesetz entzogen. Während dieser Zeit hatte sich die Familie der Porteus in Sorviodunum fast durchwegs eines wohltuenden Friedens der römischen Provinzen erfreuen können. Freie Männer waren zu Bürgern geworden. Die Ortschaften der Region – wie etwa Venta Belgarum im Osten, Durnovaria im Südwesten und Calleva im Norden – wiesen nicht nur Foren und Tempel, sondern auch Theater und Arenen auf. Die Bäder in Aquae Sulis waren des öfteren erneuert worden, jedesmal noch aufwendiger als zuvor. Und die Familie des Porteus war der Ansicht, daß das Römische Imperium ewig währen würde.
Im Lauf der Jahrhunderte traten jedoch starke Spannungen innerhalb des Reiches auf. Es war nicht mehr flexibel genug. Obwohl es in vier Regionen – je zwei im Osten und zwei im Westen – aufgeteilt worden war, ließ es sich schwer regieren. Oft gab es Gegenkaiser und Bürgerkriege.
Die römische Welt wurde vom Osten her überflutet. Im dritten Jahrhundert waren die großen Barbareneinfälle in Europa ein fortschreitender Prozeß. Diese Menschen kamen aus den fernen asiatischen Ebenen, von der Ostsee und aus Skandinavien; ihre Namen wurden in die europäische Geschichte eingegliedert: Franken, Goten, Burgunder, Lombarden, Thüringer, Vandalen, Sachsen. Aber gleichgültig, wie immer auch das Imperium sie absorbierte – die Einwanderungen schienen kein Ende zu nehmen.
Ganz allmählich begann das mächtige Imperium abzubröckeln. Im letzten Jahrhundert dieser gefahrvollen Zeiten blieb die blühende britannische Insel weiterhin gut abgesichert. Die Legionen waren noch dort stationiert. Die Ortschaften hatten starke Wehranlagen; die Küsten waren durch eine Flotte und durch befestigte Häfen gegen die Überfälle sächsischer Piraten geschützt.
Für wie lange wohl? Die Trennung Britanniens vom Imperium ließ sich wahrscheinlich nicht vermeiden. Die erste Tat war ein Manöver der britannischen Legionen. Als sie in Italien einen Kaiser, der fast noch ein Kind war, auf dem Thron sahen, riefen sie ihren eigenen Anführer zum Kaiser aus und marschierten zu dessen Unterstützung in Gallien ein. In Italien wurde der junge Honorius gezwungen, diesen Usurpator zunächst als Nebenkaiser zu akzeptieren. Als einziges Ergebnis dieser Aktion blieb die britannische Insel nun ohne Garnison und ohne Verteidigung zurück.
Als nächstes überquerten burgundische und sächsische Horden den Rhein und fielen in Gallien ein; die dortigen Legionen verloren die Kontrolle über die Provinz. Damit war Britannien isoliert. Zu ebendieser Zeit machten die Britannier einen großen Fehler. Sie revoltierten, erklärten sich für unabhängig vom Imperium und verwiesen die kaiserlichen Beamten des Landes. Die Insel baute eine eigene Verteidigung auf, entrichtete keine Steuern mehr und wartete auf das, was da kommen sollte.
Es geschah jedoch nichts. Damals hatte das Imperium weder Zeit noch Mittel, um sich mit der abgefallenen Inselprovinz zu beschäftigen. Im Jahre 410, drei Monate vor Petrus’ Geburt, plünderten die Westgoten unter Alarich die kaiserliche Stadt Rom. Eine Welt – tatsächlich die Zivilisation selbst – hatte ihr Ende gefunden.
Das Reich selbst erholte sich allmählich. In Ravenna erfuhr der junge Imperator Honorius zu seinem Glück, daß seine Vertrauensleute seinen verschwörerischen Nebenkaiser in Britannien ermordet hatten. Die Westgoten waren mittlerweile abgefunden worden und zogen ab. Es war an der Zeit, die Reste des westlichen Reiches wieder zusammenzufügen. Aber diese Pläne sahen eine Rückkehr der Legionen nach Britannien nicht vor. »Sollen sie sich doch selbst verteidigen«, rieten die strapazierten Beamten. »Sie entrichten keine Steuern mehr, sie haben die kaiserlichen Beamten hinausgeworfen. Wir haben genug zu tun. Sie leben schließlich auf der anderen Seite des Meeres.« Danach vergingen zwanzig Jahre. Hin und wieder ereigneten sich Überfälle von Sachsen oder irischen Piraten. Ein Trupp Bacaudae, Bauern ohne Land, tauchte eines Tages in Sarum auf und steckte eine Scheune in Brand, doch der Verwalter Numincus konnte sie mit einigen Leuten vertreiben. Constantius war eher besorgt wegen der Dinge, die sich nicht ereigneten: In der Provinz wurden keine neuen Münzen mehr geprägt. Der Handel mit
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