Sascha - Das Ende der Unschuld
andere Kids von der Domplatte, dass das Haus geräumt worden war.
„Ach du Schande. Wie soll ich denn jetzt...?“
Sascha brach mitten im Satz ab. Als Marc nachhakte, druckste er nur herum und wollte nicht so recht mit der Sprache heraus. Schließlich jedoch sagte er:
„Wie sollen wir denn jetzt an unsere Sachen kommen? Ich meine die CDs, den Recorder und so weiter.“
„Ich muss auch noch mal hin. Egal wie.“
So begannen sie vorsichtig, die Umgebung zu sondieren und fanden schließlich eine Möglichkeit, in das Haus zu kommen. Im Zimmer selbst befand sich kaum noch etwas. Aber eigenartigerweise schienen beide sich dafür plötzlich auch gar nicht mehr so sehr zu interessieren.
„Ich geh mal aufs Klo. Warte bitte hier“, verabschiedete sich Marc vorläufig. Sascha nickte und sah fast erfreut aus.
Als sich die Tür hinter seinem Freund schloss, hatte Sascha nichts Eiligeres zu tun, als sich flink wie ein Wiesel Richtung Keller zu bewegen. Dort ging er gezielt zu einem alten, verbeulten Wasserkessel aus Blech, der hinter ein paar Mülltüten stand. Er öffnete den Deckel und holte einige Bündel Geld heraus. Kurz atmete er auf. Dann erschrak er fürchterlich und schrie dabei durchdringend auf, als eine Stimme hinter ihm sagte:
„Ach, sieh mal einer guck. Was hast du denn da?“
Jeder mit einem Feuerzeug bewaffnet standen Marc und Sascha sich zwischen all den Spinnweben eine Zeitlang schweigend gegenüber. Sascha fühlte sich ertappt und konterte:
„Wenn ich schon fast eine Million Mark abgeben muss, will ich wenigstens etwas behalten. Ich habe mir fünfzehntausend genommen. Und was willst du jetzt machen? Mir den Kopf abreißen? Es ist schließlich gut gegangen.“
Marc lachte laut, was für Sascha im ersten Moment ziemlich unverständlich blieb. Dann jedoch schaute er zu, wie auch sein Freund aus dem schon bekannten Versteck im Ofen fast zwanzigtausend Mark holte. Damit war klar, dass keiner der beiden der Versuchung hatte widerstehen können.
✵
Als Erstes mieteten die beiden Jungs nach Marcs früherem Plan die Wohnung am Eigelstein. Nachdem jetzt beide wussten, dass ihnen beinahe fünfunddreißigtausend Mark zur Verfügung standen, lebten sie wie Gott in Frankreich munter in den Tag hinein. Oft hielten sie sich am Bahnhof auf, allerdings nicht um zu strichern. Statt dessen gingen sie sehr großzügig mit dem Geld um, hatten plötzlich ausgesprochen viele „Freunde“ und genossen es, mit den Scheinen nicht geizen zu müssen. Sie selbst hatten keinerlei Einkünfte mehr und wieder einmal wurde die Summe unkontrolliert und mit deprimierender Geschwindigkeit kleiner, ohne dass sie bleibende Werte zurückbehielten. Das Geld würde schon in einigen wenigen Wochen aufgebraucht sein, dann standen sie erneut vor dem Nichts. Aber daran wollten beide, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, nicht denken.
Marc beabsichtigte, schon allein durch seine Krankheit bedingt, jeden Tag einfach nur zu genießen. Er sah es nicht ein, für später zu sparen. Schließlich wusste er nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb. Im Moment war er nicht akut krank, konnte mit dem Unternehmungsgeist seines Freundes mithalten und kostete das voll aus. Sascha hingegen wollte einfach nicht über die Zukunft nachdenken. Die Hauptsache für ihn war dieses sorgenfreie Leben und dass er niemanden für irgendetwas Rechenschaft ablegen musste. Sie waren jede Stunde des Tages zusammen. Beide konnten sich kaum vorstellen, einmal getrennte Wege zu gehen. Auch wenn öfters die Fetzen flogen, weil jeder seinen Kopf durchsetzen wollte, hielten sie grundsätzlich zusammen, sobald es darauf ankam.
✵
Der Sommer kam und verging. Sascha und Marc hatten wieder begonnen, am Bahnhof zu arbeiten. Vorbei war die Zeit, als sie dort Saufgelage für sich und die anderen organisierten. Sie waren wieder da, wo sie angefangen hatten – auf der Bahnhofsklappe. Aus der besseren Zeit war allein die Wohnung übriggeblieben und sie taten alles, um diese auch weiterhin zu halten. Trotz ihrer Bemühungen wurden die Einnahmen stetig weniger, vor allem, weil Marc mehr und mehr ausfiel. Man sah ihm seine Krankheit an und die wenigsten wollten sich einem solchen Risiko aussetzen. Inzwischen bekam der gerade Siebzehnjährige ein paar Mark Sozialhilfe und war auf diese Weise auch krankenversichert.
Auch Sascha sah man sein Leben bereits an. Er war ausgebrannt und ohne wirkliche Vitalität. Ein Tag reihte sich an den nächsten, negative Erlebnisse wurden einfach
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