Sasori, S: Schlangenfluch: Samuels Versuchung
du dich?“
War der Typ dement, dass Raven auf diese Weise mit ihm sprechen musste? Die beiden vollzogen einen minutenlangen Blickwechsel, bei dem keiner zwinkerte.
„Lass gut sein.“ Für so einen Scheiß hatte er heute keinen Nerv. Irgendwo musste Jarek sein. Der gab eine gesprächigere Gesellschaft ab. „Hat mich gefreut, deinen Bruder nicht kennenzulernen, Raven. Aber ich muss jetzt los.“
Er war noch nicht aufgestanden, da lag Ravens kühle Hand auf seinem Arm. „Bleib und erzähle Samuel von dir. Gib ihm eine Chance, dich in sein Herz zu schließen.“
„Was soll ich in seinem Herz?“ So wie der ihn anstarrte, besaß er keins, außerdem war ihm Samuel völlig gleichgültig.
„Dich wohlfühlen. Das Herz meines Bruders ist sehr geräumig. Leider steht es die meiste Zeit leer.“
„Raven!“ Samuel erstach seinen Bruder mit einem Eisblick, aber Raven lächelte ihn liebevoll an.
„Ich sage nur die Wahrheit.“
„Die diesen Jungen nichts angeht.“
So, das reichte. „Ihr könnt mich mal.“ Den Jungen sollten sie sich doch in den Arsch schieben und mit dem Sonnenschein konnten sie gleich nachlegen.
„Wirklich?“ Raven lächelte überrascht. „Danke. Bei Gelegenheit komme ich vielleicht darauf zurück.“
Idiot. Laurens hatte gleich gewusst, dass dieser Abend nichts bringen würde. Wäre er nur zu Hause geblieben. Ihr sinnfreies Geschwafel konnten Ians Brüder gerne ohne ihn führen.
„Raven sagte mir, du besäßest das Talent, das Wesentliche eines Menschen auf Papier zu bannen. Er hätte unseren Bruder nie zuvor derart verletzlich und kindlich wahrgenommen.“ Samuels Stimme glitt über Laurens Rücken und überredete ihn, sich gegen seinen Willen umzudrehen. Gut, dann würde er diesem Kerl noch eine letzte Chance geben, aber nur, weil er ein krasses Tattoo hatte.
„Es ist leicht, das Wesentliche eines Menschen zu zeichnen. Es ist das, was man sieht.“
„Tatsächlich?“ Samuel strafte erst ihn, dann Raven mit einem abschätzigen Lächeln. Der deutete ein Schulterzucken an, kuschelte sich in die Lehne des Sessels und tätschelte völlig unangebracht Samuels Knie.
„Geht es um mich?“ Ian ignorierte das seltsame Verhalten seiner Brüder. Statt dessen funkelte er Laurens wütend an. „Ich bin nicht kindlich und verletzlich schon gar nicht.“
„Ich musste deinen Babyspeck wegradieren.“
„Na und? Was hat der mit meiner angeblichen Verletzlichkeit zu tun?“
Offenbar hatte er die Kindlichkeit geschluckt.
„Du warst nackt, Ian.“ Ravens winziges Zwinkern war kaum zu sehen. „Es gibt wenig Situationen, in denen wir verletzlicher sind.“
Ian verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich fange an, es zu bereuen, dir Modell gesessen zu haben, Laurens. Dabei dachte ich, wir wären Freunde. Wie hast du mich nur dazu kriegen können?“
„Ich habe dich gefragt und du hast ja gesagt.“
Das runde Kinn kräuselte sich. „Wirklich? Komisch, normalerweise präsentiere ich mich nicht nackt.“
„Ebenso wenig wie ich.“ Samuel zupfte den Ärmel über den Handschuhschaft. „In die Intimsphäre seiner Mitmenschen einzudringen, um Verborgenes für fremde Gaffer sichtbar zu machen, halte ich für verachtenswert.“ Nicht das kleinste Zucken erschien in seinen Mundwinkeln. Warum lächelte er nicht? Passte das nicht zu seinem Image oder meinte er den Schwachsinn ernst.
„Dass Ian erst achtzehn ist und aussieht, wie knapp der Windel entwachsen, ist nichts Verborgenes.“
Ian schnaufte empört, und Raven lachte sein Schlangenlachen. „Samuel ist seine Intimsphäre heilig. Er hütet sie wie seinen Augapfel.“
„Jammerschade, dass dein Bruder diese reaktionäre Meinung vertritt.“ Laurens schwenkte zu Samuel und schaffte es, ihm hoffentlich eiskalt in die Augen zu sehen. „Ich wette, du gäbest ein perfektes Bildnis ab, und ich bin davon überzeugt, dass jeglichem Palaver über den Schutz der Intimsphäre nur eine tiefsitzende Angst vor dem Offenbaren der eigenen Schwächen zugrunde liegt.“ Angriff war die beste Verteidigung und von diesem arroganten Arsch würde er sich nicht ans Bein pissen lassen.
Samuels Brauen zuckten nach oben. „Meine Schwächen sind immens. Würdest du sie kennen, würdest du verstehen, dass ich nicht mit ihnen hausieren gehe.“ Die gelangweilte Geste sollte das Thema beenden.
Laurens übersah sie. „Oh, dann bist du wie der geheimnisvolle Kerl, der heimlich Frauen austrinkt und das dann bitter bereut, weil er eigentlich ein ganz Lieber ist.
Weitere Kostenlose Bücher