Sasori, S: Schlangenfluch: Samuels Versuchung
war er eines Tages nicht mehr am Ufer erschienen. Sie hatte jeden Tag dort gewartet, jede Nacht, bis ihr Verstand tatsächlich verloren ging und ihm ins Wasser folgte. Nach diesem Geständnis war Mia für Wochen in Schweigen versunken.
Samuel schloss die Augen, und die Sonnenstrahlen wärmten sein Gesicht. Er lehnte sich zurück, aber sofort spannte die Wunde. Laurens hatte recht gehabt. Die Fahrt war eine Tortur gewesen, aber der Gedanke an ihn schmerzte noch mehr.
„Ich hätte dich jetzt gern neben mir, Laurens mit dem Sonnenhaar.“ Was für eine schöne Vorstellung. Ob er immer noch seine Nase in seine Jacke stecken würde? Wohl kaum. Samuel brauchte eine Dusche. Die Nacht war lang und anstrengend gewesen, aber vielleicht wäre das Laurens auch egal. Offenbar konnte ihn nichts so schnell abschrecken. Samuel stieg wieder in den Wagen und fuhr weiter. Es wurde höchste Zeit, dass er sich irgendwo ausstrecken konnte.
Kurz vor der Einfahrt aufs Anwesen kam ihm ein Jeep entgegen. Der Fahrer starrte ihn entgeistert an und wäre beinahe von der Straße abgekommen, so verdrehte er sich den Hals nach ihm. Oh Mann, er musste ja furchtbar aussehen.
Finley kam aus dem Nebengebäude, seine grauen Bartstoppeln stachen wie Igelstacheln von seinem Kinn. Müde hob er die Hand und wartete, bis Samuel ausgestiegen war. „Siehst ganz schön fertig aus, Junge.“ Er holte die Tasche vom Rücksitz und schüttelte den Kopf, als Samuel sie ihm abnehmen wollte. „Komm ins Haus. Erin hat nen Kaffee für dich.“
„Hat die Klinik schon angerufen?“
„Nein. Ist wohl auch noch zu früh. Erin habe ich gestern Nacht verboten, die Schwestern dort mit ihren ständigen Nachfragen zu nerven. Davon geht’s deiner Mutter auch nicht besser. Mr. Wilson hat sich übrigens auch noch nicht gemeldet.“
Sofort fühlte sich Samuels Magen flau an. „Wann denkst du, kommt er zurück?“
Finley zuckte die Schulter. „Wenn’s nach mir geht, gar nicht. Der Satan soll ihn fressen, aber der würde ihn auch nur wieder ausspucken.“
„Wenn er kommt, fahre ich.“ Keine Sekunde mehr in Davids Gegenwart. Weder am See, noch sonst wo.
Kurz vor der Schwelle blieb Finley stehen. Er starrte seine Schuhe an, als er mit ihm sprach. „Ich weiß, wie es um dich und Mr. Wilson steht. Ich habe es von Anfang an gewusst, aber deine Mutter hat mich in dieser Nacht vor beinahe zehn Jahren bekniet, diesem Bastard nicht die Schippe über den Schädel zu schlagen, als er dich schreien ließ.“ Finley schüttelte unglücklich den Kopf. „Sie fürchtet ihn, aber ohne ihn fürchtet sie sich noch mehr. Sie ist eine arme Frau. Verzeih ihr, wenn du kannst.“
Konnte er nicht. Und Finley in die Augen sehen konnte er auch nicht. Die Idee mit der Schippe war gut, er hätte sie umsetzen sollen, das hätte ihm einiges erspart.
„Na ja, wenn du mir nicht verzeihen kannst, ist das in Ordnung. Ich tu’s selbst nicht, bin aber für jegliche Art der Selbstzerfleischung längst zu alt.“ Finley stapfte vor ihm her ins Haus. Im Flur wartete Erin. Sie hatte es auch gewusst, natürlich. Als Samuels Blick sie traf, sah sie weg.
„Samuel, verschwende deine Zeit nicht mit Grübeln.“ Heute schien Finley vor nichts haltzumachen. Früher hatte er ihn nie belehrt. „Das Haus fällt um uns zusammen und es ist kein Geld da für Handwerker. Du bist hier, Mr. Wilson ist fort, was steht dir im Weg?“
Erin sah Finley erschrocken an. „Wie redest du denn mit Samuel?“
„Ich erinnere ihn daran, dass er kein Kind mehr ist, sondern ein Mann mit Verantwortung. Das hier ist sein Eigentum. Mrs. Mac Laman hat das mit einem teuren Anwalt in Fort William geregelt. Wenn sie nicht mehr ist, gehört alles dir, sie hat es mir selbst gesagt. Sie wollte gestern nach deiner überstürzten Abreise ins Wasser, weil sie ebenso wenig taub ist wie ich oder Erin. Sie hat Wilson übers Gesicht gekratzt. Ihn angespuckt. Denkst du im Ernst, sie will ihn hier noch mal sehen?“
Erin schlug die Augen nieder. Finley nicht. Er schien kein Problem mehr mit schwierigen Themen zu haben.
„Wenn du dich frisch gemacht hast, bringt dir Erin die Rechnungen und den ganzen anderen Mist, den Wilson liegen gelassen hat. Arbeite dich ein. Jetzt bis du hier Herr im Haus.“
Erin huschte weg, und Finley stapfte die Treppe hoch bis zu Samuels Zimmer. An der Tür blieb er stehen und drückte ihm die Reisetasche in die Hand. „Dinge, die bitter sind, bleiben bitter. Aber manchmal legt das Leben ein Stück Zucker dazu,
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