Sasori, S: Schlangenfluch: Samuels Versuchung
Polizei, Interpol, Staatssicherheitsdienst, dem Ärzte- oder Eugenikerverband. Die Beute würde fliehen. Nichts, was lebte, wollte eingesperrt werden. Auch nicht im Dienste der Wissenschaft. Wenn die Beute floh, würden sie ihr folgen können. „Wo sitzt der Sender?“
Dylan sah betreten zu Boden. „Da hing ne Jacke rum. Ich hab den Sender im Saum befestigt.“
Diesmal rammte er ihm den Stock in die Seite. Dylan keuchte und lief dunkelrot an. Es blieb nur zu hoffen, dass das Wesen nur eine Jacke besaß, die es mitnehmen würde.
„Machst du es dir nicht zu leicht, Boss?“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht massierte er seine Seite. „Einem Sender nachjagen kann doch jeder, der das nötige Equipment hat.“
Ein Fachbegriff dieser Güte aus einem so schlichten Mund, gespeist von einem noch schlichteren Geist, war ein anerkennendes Brauenzucken wert. Dylan registrierte es und seine Lippen zogen sich in die Breite.
„Es ist kein GPS Sender, den du angebracht hast, Dylan.“ Er schaltete den Empfänger an und regulierte die Lautstärke. „Es ist ein Hochleistungsminisender.“
„Eine Wanze?“
Er hatte begriffen. „Wir können jedes Wort der Beute verfolgen, das sie sagt, flüstert oder flucht.“ Irgendeinen Hinweis würde die Chimäre irgendeinem Menschen geben und den galt es zu hören. Sollte sie zur Schweigsamkeit oder völliger Einsamkeit neigen, oder, was am wahrscheinlichsten war, die Jacke zurücklassen, hatte er ein Problem. Er würde es mithilfe seines Gehstocks auf Dylans Rücken verarbeiten.
*
London lag bereits weit hinter ihm. Samuel fuhr sich über die Augen, um die Müdigkeit zu verscheuchen. Wann hatte er das letzte Mal geschlafen? So, wie er sich anfühlte, musste es ewig her sein. Sein Körper trug noch die Erinnerungen an Laurens Berührungen. Das hielt ihn wach genug, um weiterfahren zu können. Er hatte überhaupt keine Angst vor ihm gehabt. Hatte die Schuppen immer wieder vorsichtig angefasst, als ob er seinen Augen allein nicht trauen würde.
Warum fuhr er weg? Warum floh er vor dem Mann, der dabei war, sich in ihn zu verlieben? Warum verkrampfte er sich vor Schmerzen hinter diesem gottverdammten Lenkrad und lag nicht ausgestreckt auf Laurens Bett und gab sich dessen zärtlichen Berührungen hin? Weil er keine Enttäuschungen mehr wollte. Es war simpel, er war feige geworden. Für einen Augenblick verschwamm die Straße vor ihm. Die Abfahrt nach Northampton rauschte an ihm vorbei. Wo wollte er eigentlich hin? Weg. Weit weg. Seen gab es viele in den Highlands. Es musste nicht Morar sein. Auf dem Beifahrersitz leuchtete das Display seines Handys auf. Erin? Mitten in der Nacht?
„Samuel! Dem Himmel sei Dank, dass du rangehst.“
„Was ist passiert?“
Am anderen Ende schnappte es nach Luft. „Deiner Mutter ging es plötzlich furchtbar schlecht. Sie hat wirres Zeug geredet, wollte sich in den See stürzen und Finley und Mr. Wilson mussten sie gewaltsam davon abhalten. Ich habe versucht, dich zu erreichen, aber du bist nicht rangegangen, dann habe ich mir wegen der Aufregung einen Schnaps eingegossen und bin aus Versehen eingeschlafen.“
„Wie geht es ihr jetzt?“
„Ich weiß es nicht. Mr. Wilson ist mit ihr nach Glasgow in eine Spezialklinik gefahren. Es war furchtbar, Samuel. Zuerst hat sie sich gegen ihn und Finley gewehrt, wie ein Löwe, weil die beiden sie festgehalten haben. Und dann war sie plötzlich völlig apathisch.“ Erin schluchzte. „Sie hat von dir geredet und deinem Vater. Und sie hat Mr. Wilson angeschrien, das hat sie noch nie getan. Und plötzlich sackte sie einfach zusammen und starrte ins Leere. Mr. Wilson hat sie dann sofort ins Auto gepackt. Vorhin hat er angerufen, dass er vorerst bei ihr bleibt. Er macht sich wirklich schreckliche Sorgen.“
Wo blieb die Bestürzung? Sie kam nicht. Er war nicht einmal überrascht. Früher oder später hatte es so weit kommen müssen.
„Beruhige dich, Erin. Ich bin auf dem Weg nach Morar.“ Anscheinend gewann der See wieder. Immer zog er an ihm, immer lockte er ihn in seine Tiefen.
Erin atmete hörbar auf. „Ich habe gehofft, dass du das sagst.“
„Warne mich diesmal nur rechtzeitig vor Wilson.“ Bevor Erin etwas erwidern konnte, drückte er das Gespräch weg.
*
„Die Jagd beginnt!“ Wie konnte dieser Kerl schlafen? James stieß ihn an, und Dylans Kopf knallte auf den Tisch. Mit glasigen Augen starrte er den Empfänger an, der eben noch die Stimme der Beute wiedergegeben hatte. Anfangs hatte James kein
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