Sasori, S: Schlangenfluch: Samuels Versuchung
Wort verstanden, nur dumpfes, verzerrtes Gemurmel mehrerer Männer, dann war lange Zeit Ruhe gewesen, bis auf die Fahrgeräusche. Aber jetzt! Morar. Ein besseres Ziel konnte es nicht geben und er hatte die Beute nicht dorthin treiben müssen, sie entschied sich mehr oder weniger freiwillig für diesen Fluchtweg. Das Schicksal lotste sie zum finalen Punkt ihres Lebens. Wie bei Elefanten, die zum Sterben einen bestimmten Platz aufsuchten.
Er roch es in der Luft, schmeckte es auf der Zunge; die Chimäre war sein, er musste nur zugreifen.
Hendrik hatte um eine Lebendfalle gebeten. Die Kreatur würde niemals freiwillig hineingehen, aber das war auch nicht nötig, für jede Beute gab es einen Köder, den sie aufs Äußerste begehrte. James musste nur herausfinden, welcher es war. Auf dem Weg zum Keller plante er das weitere Vorgehen. Sie würden der Beute folgen, in gebührendem Abstand oder sollte sich James ihr zeigen? Von Angesicht zu Angesicht? Gott, wie er die Jagd liebte!
Sorgfältig gestapelt ruhte der Gorillakäfig neben verpackten Zelten und zusammengeklappten Campingstühlen. Dank des stabilen Steckmechanismus’ war es ein Kinderspiel, ihn ab- und aufzubauen. Dylan besaß großes Geschick in solchen Dingen. In weniger als einer Stunde wäre alles verstaut. Ob er Tom von diesem Unterfangen ausschließen sollte? Eine Treibjagd war kein Kinderspiel. Andererseits würde er sich nach stundenlanger Observierung in der Kälte der Highlands an Tom aufwärmen können. Der Junge bewies ein beachtliches Geschick im Umgang mit seinen Bedürfnissen und warum sollte er auf seine Zuwendungen verzichten?
*
Wer immer auf der Türklingel stand, hatte den Tod verdient. Seine Augen weigerten sich, aufzugehen. Stundenlang war Laurens durch London gelaufen. Zuerst war sein Herz schwer wie Blei gewesen, dann seine Füße. Der Anblick, wie Samuel verletzt an der Wand gekauert hatte, ging ihm nicht aus dem Kopf. Er hätte ihn beschützt, er hätte alles Böse von ihm ferngehalten, sich vor ihn gestellt, das imaginäre Schwert gezogen und dann … Nichts dann. Er war weg. Blöde Träne, sie hatte auf seiner Wange nichts verloren. Wieder schrillte es an der Tür.
„Jarek! Verdammter Idiot! Bin ich dein Butler?“
„Ich bin’s“, rief Ian dünn durch die Tür. „Ist Samuel noch da?“
„Das war er nie.“ Traurigkeit ließ sich hervorragend hinter Zorn verstecken. Ian sah reichlich blass aus, was kein Wunder war. Für eine so lange Nacht wie die Letzte war es noch viel zu früh. „Willst du einen Kaffee?“
Ian kniff die Lippen zusammen, bis nur noch ein dünner weißer Strich von ihnen übrig blieb. „Nein danke, mir ist nicht gut. Ich hab wohl was Falsches gegessen.“ Matt schlurfte er an ihm vorbei und ließ sich aufs Bett sinken. „Wenn er nicht hier ist, wo ist Samuel dann?“
„Keine Ahnung. Ruf ihn doch an.“
„Er geht nicht ran. Das macht er oft, wenn er in einer seiner finsteren Stimmungen ist. Aber diesmal meldet er sich nicht mal bei Raven.“
Nur um die winzige Möglichkeit auszuschließen, kontrollierte Laurens die Anrufliste, aber da waren nur die weggedrückten Versuche seines Vaters. Was wollte Hendrik nur von ihm? Die oberste Nachricht war eine MMS. Laurens rief sie auf. Sein Vater war in Morar und Laurens sollte zu ihm kommen. Er hätte das Wesen Mhorag endlich gefunden.
Auf dem Bild war Samuel. Auch wenn die Gesichtszüge verzerrt waren, er erkannte ihn sofort. Ein Mann umklammerte ihn, aber sein Gesicht war verdeckt. Mit der einen Hand krallte er sich in Samuels Bauch, mit der anderen zog er an den Haaren Samuels Kopf in den Nacken. Viel zu weit. Samuels Mund war aufgerissen. Er schrie. Sein Oberkörper war nackt, furchtbar weit durchgebogen. Die Schuppen waren klar zu erkennen. Auch, dass der Mann ihn vögelte.
„Was ist?“ Ian reckte den Hals, um einen Blick auf das Display zu erwischen.
Laurens hielt es weg. War das Liebe? Wohl kaum. Es sah nach Schmerz und Zwang aus. Laurens wurde schlecht. Samuel war vergewaltigt worden, und Hendrik hatte es filmen lassen. Nur um einen Beweis für seine Theorien zu haben. Vor ein paar Stunden war er noch bei ihm gewesen. Hatte über eine neue Wunde getupft, die ihm ein anderer Arsch zugefügt hatte. Gab es nur Ärsche in Samuels Leben? Warum hatte er ihn gehen lassen? Warum zum Henker hatte er ihn wegfahren lassen?
„Dir wird nie wieder jemand wehtun.“
„Was nuschelst du da?“
„Egal aus welchen Gründen, dich verletzt keiner mehr.“
„Hä?
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