Sassinak
schon genug um Huron getrauert oder fühlen Sie sich immer noch so schuldig, daß Sie sich Ihrer vielen anderen Bewunderer nicht erfreuen können?«
»Sie bringen mich ja zum Erröten. Das geht Sie nichts an, würde ich sagen, außer unter dem Aspekt, daß Sie meine Ärztin sind. Nun, ja, ich habe mich in den letzten Wochen normaler – oder zumindest angenehmer -Kontakte erfreut.«
»Gut. Das wurde auch Zeit. Dieser Tim himmelt Sie übrigens ehrfürchtig an, daher hoffe ich, daß Sie ihm irgendwann wieder Ihre Gunst gewähren werden.«
»Schon geschehen, meine zauberhafte Patentante, also lassen Sie mich in Ruhe.«
»Dann widmen wir uns wieder Kai. Das Toxin hat Nervengewebe zerstört, daher leidet er an manchen Hautpartien unter Gefühllosigkeit – was sehr unangenehm ist, weil er nicht merkt, wenn er sich verletzt. Wo das Gewebe nicht zerstört wurde, ist es stimuliert – wie durch einen Schmerz, aber das Gehirn kann keine Dauerstimulationen verarbeiten, deshalb fühlt er diese seltsamen Stiche und Zuckungen und hat den allgemeinen Eindruck, daß tief in ihm etwas überhaupt nicht stimmt. Seine Blutwerte verschlechtern sich, was wahrscheinlich die Erschöpfung verursacht, die Ihnen aufgefallen ist, und er hat nicht gut geschlafen, was ein übriges bewirkt. Ich habe angeboten, ihn in einem der großen Tanks unterzubringen, wo er sich von den Strapazen erholen könnte, bis wir ihn ins Sektorhauptquartier gebracht haben, aber er hat es abgelehnt. Was in diesem Fall von einer bemerkenswerten Charakterstärke zeugt, ungeachtet seiner Reaktion, als Sie dieses Band abspielen ließen.«
»Hm. Es hat mir Sorgen gemacht, vor allem bei einem Mann in seiner Position.«
»Diese Varian hat genug Schwung für zwei«, sagte Mayerd; Sassinak bemerkte ein Spur von Verachtung und wußte, daß Mayerd einen Patienten immer dem gesunden Freund eines Patienten vorziehen würde. Dies im Hinterkopf schlug sie vor, daß Mayerd die Überlebenden am Nachmittag besuchte, wenn das Diagnosegerät über Kais Verfassung zu einem Schluß gekommen war.
»Darüber habe ich schon nachgedacht. Sie werden etwas zum Anziehen brauchen … oder haben Sie nicht an ein förmliches Abendessen gedacht?«
»Um anzugeben, ja.« Sassinak lachte. »Sie können Gedanken lesen; die Leute werden noch glauben, Sie seien ein Weber, wenn Sie diese Kunst weiter pflegen. Plündern Sie meinen Schrank, wenn Sie etwas von meinen Sachen gebrauchen können – es ist ein rotes Kleid dabei, das Varian passen könnte.«
»Ich habe ein grünes, das Lunzie wunderbar stehen würde«, sagte Mayerd selbstgefällig. »Und außerdem kenne ich Kais Maße, damit ich auch etwas für ihn finden kann.«
Als Mayerd auf dem Weg zum Schlitten vorbeischaute, um Sassinak zu zeigen, was sie ausgesucht hatte, warfen die Stewards Sassinak bereits Seitenblicke zu, die nur bedeuten konnten, daß sie sie gern aus dem Weg hätten, um das Abendessen vorzubereiten. Sassinak hatte beschlossen, in ihrem Büro zu servieren, ein intimeres Ambiente als die Offiziersmesse.
»Ich geh ja schon. Ich geh ja schon«, sagte sie und grinste, als der Koch hereinkam, um die Aufteilung des Raums im Hinblick auf die Bewirtung zu begutachten. Sie besuchte die Brücke, wo alles unter Kontrolle zu sein schien, und stellte fest, daß die meisten von ihrer Ahnin wußten. Schließlich hatte sie Ford und die anderen nicht gebeten, die Sache vertraulich zu behandeln. Sie arbeitete sich durch die Tagesberichte, fand einige Antworten auf Anfragen beim Sektorhauptquartier vor und stellte fest, daß andere noch einer Reaktion harrten; sie hatte gehofft, Kai und Varian heute abend weitere Informationen bieten zu können, aber darauf mußte sie wohl verzichten. Natürlich konnte jederzeit etwas eintreffen. Schließlich erregte Arly ihre Aufmerksamkeit und zeigte auf die Uhr. Es wurde Zeit, sich fertig zu machen, aber immerhin hatte sie den Großteil ihrer Arbeit erledigt und würde morgen nur mit leichtem Rückstand weitermachen.
Als sie in ihre Kabine ging, um aufzuräumen, stellte sie fest, daß sie ihre Gefühle nicht recht analysieren konnte. Lunzie … eine andere Lunzie. Nein, keine andere Lunzie, sondern die Lunzie. Das schien ihrer kleinen Schwester gegenüber nicht fair, aber ihr war ohnehin nicht viel Fairness zuteil geworden. Sass beschloß, nicht darüber nachzudenken, und rieb sich noch einen Schuß Shampoo ins Haar. Sie dankte den Göttern, daß der Kreuzer kein iretanisches Wasser benutzen mußte.
Aber
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