Sassinak
mehr verraten – vermutlich selbst nicht mehr gewußt, glaubte Sass. Selbst als Kadett hatte sie schon Zugriff auf mehr Informationen als die meisten Kolonisten. Sie überlegte, eines Tages mit ihren entfernten Familienmitgliedern Kontakt aufzunehmen … eines Tages, wenn sie eine erfolgreiche Flottenoffizierin war. Also nicht allzu bald. Die Flotte würde ihre Familie sein, und Abe war jetzt ihr Vater.
Er nahm seine Verantwortung in mehrerlei Hinsicht ernst, wie sie am nächsten Morgen herausfand.
»Laß dir ein Fünfjahresimplantat einpflanzen, und mach dir keine Gedanken darüber. In nächster Zeit wirst du sicher noch nicht Mutter. Eigentlich hättest du es schon machen lassen sollen.«
»Ich will aber auch keine transusige Romantikerin werden«, sagte Sass und runzelte die Stirn.
Abe grinste sie an. »Sass, ich habe dir nicht gesagt, daß du dich verlieben sollst. Ich sage dir nur, daß du erwachsen bist und dein Körper seine Bedürfnisse hat. Du brauchst nichts zu tun, was du nicht tun willst, aber du wirst es bald tun wollen.«
»Ich will es nicht.« Sass sah ihn finster an.
»Ist dir denn nichts aufgefallen?«
Sass öffnete den Mund, um es abzustreiten, merkte aber dann, daß sie es nicht konnte. Er hatte sie so genau betrachtet wie die anderen, und mehr als jeder andere kannte er jede Nuance ihres Körpers.
»Laß dir das Implantat einpflanzen. Danach kannst du machen, was du willst.«
»Du sagst mir nicht, daß ich vorsichtig sein soll«, sagte sie fast verdrießlich.
»Himmel, Mädchen, ich habe dich nur adoptiert. Ich bin nicht dein echter Vater, und selbst wenn ich es wäre, würde ich dir nicht sagen, daß du vorsichtig sein sollst. Dir bestimmt nicht.«
»Mein … mein echter Vater …«
»… war Kolonist auf einem kleinen schmutzigen Planeten. Ich bin ein Mitglied der Flotte. Du bist ein Flottenmitglied. Du glaubst nicht an den ganzen Kram, den man dir beigebracht hat. Du bist die letzte Frau, die ihr Leben lang eine Jungfrau bleiben würde, Sass, und das ist die Wahrheit. Mach dir klar, was du brauchst, und kümmere dich darum, das du es bekommst.«
Sass erschauderte. »So hört sich das sehr mechanisch an.«
»Eigentlich nicht.« Abe lächelte sie nachdenklich und zärtlich an. »Sass, es ist ein großes Vergnügen und eine große Entspannung. Für manche Menschen gehört eine langfristige Zweisamkeit dazu. Das mag bei deinen Eltern so gewesen sein. Aber du bist anders. Wie lang beobachte ich dich jetzt schon? Acht Jahre, oder sind es zehn? Du bist von Natur aus eine Abenteuerin. Das warst du immer schon, und was mit dir geschehen ist, hat es nur noch stärker zum Vorschein gebracht. Du bist leidenschaftlich, aber du willst dich nicht mit einer langfristigen Beziehung belasten.«
Das Fünfjahresimplantat, das sie beim Medizinischen Dienst anforderte, stieß auf keine Verwunderung. Als die Ärztin feststellte, daß es ihr erstes war, bestand sie darauf, daß Sass sich eine Mappe darüber durchlas, »… damit Sie wissen, daß alles in Ordnung ist, wenn der Fleck auf Ihrem Arm die Farbe ändert. Wenn’s soweit ist, kommen Sie einfach wieder her. Es steht natürlich in Ihren Unterlagen, aber manchmal haben Sie Ihre Unterlagen nicht bei sich.«
Als sie das Implantat erst in sich hatte, konnte sie nicht anders, als ständig darüber nachzudenken. Wer würde es sein? Wer wäre der erste? tadelte sie sich selbst und akzeptiere ohne jeden weiteren Widerspruch Abes Einschätzung ihres Charakters. Sie beobachtete insgeheim die anderen Kadetten. Die bronzehaarige Liame, die mit derselben Begeisterung durch die Betten hüpfte, wie sie in den Ferien den Nachtisch hinunterschlang. Cal und Deri, die in einer dieser romantischen Serientragödien die Helden hätten spielen können, die unablässig von einer emotionalen Krise in die nächste stolperten. Wie sie ihre Kurse absolvierten, war ein ständiges Thema verstohlenen Getuschels. Und Suave Abrek, der annahm, daß jede Frau, von der er schwärmte, sich prompt in seine Arme stürzen müßte -trotz häufiger Zurückweisungen und schnippischer Bemerkungen von den weiblichen Kadetten.
Sie wußte nicht recht, was sie eigentlich wollte. Sie und Caris hatten sich damals, wenn sie Wiederholungen von Carin Coldae-Folgen anschauten, extravagante sexuelle Abenteuer ausgemalt, mit den schönsten Männern der Galaxis, an den exotischsten Orten, zwischen rettenden Planeten oder Kolonien oder unter Sklavenhäschern. Waren schöne Männer wirklich besser?
Weitere Kostenlose Bücher