Sassinak
eigentlich in Niedergravitationskapseln lernen sollte, obwohl sie auch unter normalen G-Werten angewendet werden konnte. Nur war der Betreffende weder ein Absolvent noch – sie konzentrierte sich auf seine Eigenarten – einer der Raumfahrer gewesen. Er hatte etwas Purpurrot und Orangefarbenes mit einem blauen Ärmel getragen … eine Bandenjacke. Sie hatte ihn in diesem kurzen Augenblick zu erkennen versucht, aber wie alle Angehörige der zweiten Bande hatte er sein Gesicht mit einem geometrischen Muster bemalt, das eine Identifikation nahezu unmöglich machte. Die Augen … dunkel. Die Hautfarbe … so wie die Bemalung aussah weder besonders hell noch sehr dunkel.
»Fähnrich.« Sass blickte auf und hätte fast über die Störung geflucht, da sah sie das Rangabzeichen. Keine lokale Polizei, sondern ein Flottenangehöriger. Und nicht bloß irgendein Flottenangehöriger, sondern der Vizekommandeur der Akademie, Commander Derran.
»Sir.« Sie stand auf und wünschte, sie hätte Zeit gehabt, die Uniform zu wechseln. Aber man hatte noch nicht alle Flecken untersucht und sie gebeten, zu warten.
»Es tut mir leid, Fähnrich«, sagte der Kommandeur. »Er war ein guter Mann, der Flotte treu bis zum letzten. Und daß es ausgerechnet nach Ihrer Abschlußfeier geschehen mußte.«
»Danke, Sir.« Es war eine korrekte Erwiderung; mehr brachte sie nicht durch die zugeschnürte Kehle.
»Sie sind seine einzige eingetragene Verwandte«, fuhr Derran fort. »Ich nehme an, Sie wünschen ein militärisches Begräbnis?« Sass nickte. »Beisetzung auf dem Akademiegelände oder …«
Sie hatte nur halb hingehört, als er ihr vor Jahren erzählt hatte, wie er es wollte. »Ich halte nichts davon, Flottengelder zu verschwenden, um sterbliche Überreste in einen Stern zu schicken«, hatte er gesagt. »Raumbestattungen sind für jene gedacht, die im Raum gestorben sind. Sie haben es sich verdient. Aber ich bin auch kein Landbewohner und will nicht auf irgendeinem Hügel unter eine Marmorplatte gesteckt werden; ich halte mich lieber an den alten Codex. Ich habe mein Leben der Flotte verschrieben, daher hatte ich kein Heimatland. Laß mich auf See bestatten, wenn’s möglich ist, Sass. Die Flotte weiß, wie man es macht.«
»Auf See«, sagte sie schließlich. »Er wollte es so.«
»Eine Feuerbestattung oder …?«
»Eine normale Seebestattung, Sir, sagte er, wenn es möglich ist.«
»Na gut. Der Inspektor sagte mir, daß die Leiche morgen freigegeben wird; wir reservieren einen Termin in …« – er zog seinen Handcomputer hervor und warf einen Blick aufs Display – »… in zwei Tagen. Ist das annehmbar? Schneller lassen sich die Vorbereitungen nicht treffen.«
»Ja, Sir.« Sie fühlte sich benommen, steif, fröstelte. Es konnte unmöglich Abes Beerdigung sein, über die sie hier redeten. Sie mußte die Zeit anhalten und ihre Gedanken ordnen. Aber die Zeit hielt nicht an. Der Kommandeur sprach mit dem Polizeibeamten hinter dem Schreibtisch, und plötzlich war man im Labor für sie bereit. Eine Maschine mit einer langen Schnauze nahm von jedem Fleck auf ihrer Uniform Proben; der Techniker erklärte ihr, daß durch Analyse von Blut, Fasern und Hautpartikeln ihre Angreifer identifiziert werden konnten.
Als sie aus dem Labor kam, wartete ein Leutnant Commander Barrin mit frischer Wäsche aus ihrem Quartier auf sie, der sie dann auch in Abes Apartment zurückbrachte. Dort hatte ein anderer Flottenoffizier bereits das Apartment geöffnet und eine Datei angelegt, um Termine zu organisieren und Nachrichten zu ordnen, die ihre Kenntnisnahme verlangten. Es warteten bereits ein Dutzend Nachrichten, und zwei ihrer Klassenkameraden wollten sie noch einmal sehen, bevor sie zu ihrem neuen Bestimmungsort aufbrach.
Sass verstand bald, auf welche Unterstützung sie bauen konnte. Man wußte, welche Unterlagen sie benötigte, und machte sie sofort in Abes Akten ausfindig, als Sass den Koffer öffnete. Man wußte, was sie einzupacken hatte und welche Formalitäten ihr am Morgen und danach bevorstanden. Würde die Akademie oder die nahegelegene Flottenbasis seine Beisetzung organisieren? Qualifizierten ihn die gegebenen Umstände für ein Begräbnis mit allen militärischen Ehren oder eine andere Variante? Sass stellte fest, daß der eine oder andere auf jede Frage, die sich stellte, eine Antwort hatte. Jemand kümmerte sich um das Essen, setzte sie in regelmäßigen Abständen vor einen vollen Teller und achtete darauf, daß sie auch etwas aß.
Weitere Kostenlose Bücher