Sassinak
der Gefangenschaft ein klares Bild; zu klar, dachte Sassinak. Wenn sie älter war, wenn man sie befördert hatte, schwor sie sich, würde sie noch herausfinden, wer wirklich für Abes Tod verantwortlich war, wer ihm Achael auf den Hals gehetzt hatte. Einstweilen würde sie sein Gedächtnis durch ihren eigenen Erfolg ehren.
achtes kapitel
Die auffallend elegante Frau im Spiegel, dachte Sassinak, hatte seit den Tagen des jungen Fähnrichs, der sie einmal gewesen war, einen weiten Weg zurückgelegt. Sie hatte Glück gehabt; sie war mit einer gesunden Konstitution, dem Talent und der angeborenen Zähigkeit zur Welt gekommen, um überleben zu können. Unterwegs hatte sie noch viel mehr Glück gehabt. Aber … sie zwinkerte sich selbst zu, dann grinste sie über dieses Eigenlob. Sie hatte mit ihrem Glück zusammengearbeitet, hatte ihm so gut geholfen, wie sie konnte. Heute abend – heute abend gab es einen Grund zum Feiern. Sie hatte es zum Commander gebracht und die gefährlich langweiligen Ränge übersprungen, auf denen die Unerwünschten bis ins Pensionsalter verdrießlich vor sich hindümpelten. Sie war im Begriff, wieder ein eigenes Schiff zu bekommen, und diesmal einen Kreuzer.
Sie beäugte ihr neues Kleid kritisch. Seit sie gelernt hatte, daß sich die Investition in gute Kleidung immer auszahlte, hatte sie einige Zeit auf geduldiges Ausprobieren verwendet, welche Farben und Stile am besten zu ihr paßten. Und dann hatte sie sich nach und nach eine kleine, aber elegante Garderobe zusammengestellt. Dieses Kleid hier … es leuchtete satt in ihren Lieblingsfarben, juwelartigen Rot- und tiefen Blau- und Purpurtönen, dazu ein gestepptes Leibchen, das sich über einen wehenden, bodenlangen Rock von tiefstem Nachtschwarz anschmiegte, alles aus weicher Seide, die ihre Haut mit jeder Bewegung streichelte. Sie schlüpfte mit den Füßen in weiche schwarze Stiefel und war froh, daß diese lächerlichen hohen Absätze wieder aus der Mode waren. Sie war für sich genommen schon groß genug.
Ihr Komsignal tönte, als sie die letzten Accessoires anlegte, die silbernen Ohrringe und die einfache Halskette mit dem geschliffenen Kristallstern.
»Nur weil du die Beförderung und den Kreuzer bekommen hast, heißt das noch lange nicht, das du uns warten lassen kannst«, sagte die Stimme in ihrem Ohr, die dem Leutnant Commander gehörte, der die Feier arrangiert hatte. Er war ihr Assistent gewesen, als sie für Admiral Pael gearbeitet hatte. »Bei Tobaldi gelten Reservierungen höchstens bis eine Stunde …«
»Ich weiß; ich komme ja schon.« Mit einem letzten Blick in den Spiegel nahm sie ihren Mantel und ging zur Tür. Wie sie fast erwartet hatte, warteten draußen im Korridor zwei weitere ihrer Freunde mit Blumen und kleinen verpackten Kartons auf sie.
»Du ziehst das hier sofort an«, sagte Mira. Ihre goldblonden Locken waren ein wenig verblaßt, aber nicht die strahlenden Augen oder der flinke Verstand. Sassinak nahm das Geschenk und löste vorsichtig das silberne Band.
»Ich nehme an, du hast dir denken können, was ich tragen würde«, sagte sie und lachte. Dann hatte sie den Karton geöffnet und hielt den Atem an. Als sie Mira ansah, grinste diese zufrieden.
»Ich hab’s vor vielen Jahren gekauft, als wir einmal zusammen einkaufen waren, weißt du noch? Ich habe gemerkt, wie du es angesehen hast, und wußte, daß der passende Zeitpunkt kommen würde. Natürlich hätte ich warten können, bis du Admiral wirst …« Sie wich Sassinaks spielerischem Schlag aus. »Das wirst du noch, Sass. Es ist vorherbestimmt. Ich gehe in ein paar Jahren in Pension und kehre dann in Vaters Frachtkonzern zurück – wenigstens hat er zugestimmt, daß ich übernehme, statt dieser verzogene Cousin … Komm, laß sie mich festmachen.«
Sassinak nahm die verschlungene Silberkette in die Hand, ein Schmuckstück, das Pracht und Eleganz vereinte (und dazu, so erinnerte sie sich, einen unverschämten Preis – zumindest für einen Juniorleutnant, der sie damals gewesen war) und ließ Mira den Verschluß zusammenstecken. Ihr Stern kam in die Schachtel – zumindest für heute abend – und die Schachtel zurück in ihr Zimmer. Sie wollte Mira noch etwas sagen, aber die Ankunft der anderen kam ihr zuvor, und zu sechst hatten sie sich längst in ihre Erinnerungen vertieft, als sie Tobaldis Restaurant erreichten.
Mira – die einzige, die dabeigewesen war – mußte den anderen alles über Sassinaks erste Kreuzfahrt erzählen. »Das wissen
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