Satanica
Störung. Es mußte so ablaufen, damit es Anat gefiel und sie endlich von ihrer neuen Gestalt Besitz ergreifen konnte.
Am liebsten wäre Satanica selbst auf den Friedhof gegangen, um nachzuschauen. Das konnte sie nicht riskieren. Sie brauchte die Zeit der Besinnung. Erst wenn sie voller Kraft steckte, würde sie ihren Weg abermals gehen.
Noch war Zeit…
Vor ihr lag der schweigende Wald. Kaum ein Laut erreichte ihr Versteck.
Die Bäume standen in unerschütterlicher Ruhe. Ab und zu zitterten einige Blätter an den Zweigen oder wippten die Arme der Nadelholzgewächse. Ansonsten war es still, und Satanica hatte den Wunsch, eins mit der Natur zu werden.
Zeit verstrich.
Sie wartete.
Hin und wieder legte sie den Kopf zurück und schaute durch die Ritzen der Balken zum Himmel.
Er war grau wie ein schmutziger Teppich. Keine Sonne, keine warmen Strahlen.
Gut so, sehr gut.
Bald würde er eindunkeln. Dann kam ihre Zeit, und sie würde der Welt zeigen, daß die Vergangenheit nicht vergessen war…
***
Wir waren zwar durch unsere Arbeit ziemlich abgebrüht, aber auch für uns gibt es Grenzen. Eine solche Grenze sahen wir jetzt vor uns. Es war der Kopf.
Ein vom Körper abgetrennter Kopf, und ich fragte mich, wie diese graue Person es geschafft hatte.
Für uns war sie im Moment zweitrangig geworden. Suko und ich starrten den Kopf an, der aus der Tasche herausgerollt war. Er lag mit dem Gesicht nach oben, der Blick seiner Augen immer noch so glotzend und starr. Zum Himmel gerichtet, in die Unendlichkeit, als könnte er ins Jenseits hineinblicken.
»Mein Gott«, flüsterte Suko nur, bevor er den Blick abwandte und mich ansah.
Er sah mein starres Gesicht, denn ich fühlte mich inner- und äußerlich wie eingefroren. Wer immer so etwas tat, der mußte unter einem irrsinnigen Druck stehen, und das wiederum wollte nicht in mein Gehirn.
Eine Frau, eine Person, die so alt und schwach aussah, aber sie hatte es geschafft, Suko und mich zu täuschen.
Ein seufzendes Geräusch ließ uns beide aufmerksam werden. Sofort schauten wir auf die Graue.
Nein, sie hatte nicht geseufzt, sie hatte nur gestöhnt, und sie stöhnte noch immer, wobei sie jetzt ihr wahres Gesicht zeigte. Die Waffe war weder Suko noch mir zuvor aufgefallen, weil sie an ihrem Rücken verborgen gewesen war. Den Arm hatte sie schon um den Körper geschlungen. Sie zog die Waffe, an der noch Blut klebte, mit einer geschmeidigen Bewegung hervor.
Zuerst dachte ich an ein Schwert. Das war ein Irrtum. Kein Schwert, sondern eine Machete.
Das graue Gesicht schien plötzlich auseinanderplatzen zu wollen, so stark hatte es sich verzerrt. Gleichzeitig startete sie wie eine rächende Furie und rannte auf uns zu. Die Machete ließ sie über ihrem Kopf kreisen.
Für uns war sie schnell genug – und gefährlich.
Wir warfen uns in verschiedene Richtungen zur Seite. Wir hörten das Pfeifen der Klinge, wie sie die Luft durchschnitt, und sahen vor uns nur einen wirbelnden Körper, der sich zugleich in einen tanzenden Schatten verwandelt hatte.
Die Graue bewegte sich so rasch, daß wir nicht dazu kamen, eine Gegenwehr aufzubauen. Wir hörten sie über den Boden trampeln, und ich sah dann, wie die verdammte Machetenklinge auf Suko zufegte. Die Waffe sollte ihn in Höhe der Hüfte in zwei Teile spalten, aber mein Freund zeigte, daß er blitzschnell reagieren konnte.
Er sprang hoch wie auf einem Trampolin. Dabei zog er noch die Beine an, und der Stahl wischte unter ihm hinweg. Noch in derselben Sekunde erlebte ich die Hohe Schule der Karatekunst, denn Suko schleuderte, als er sich in der Luft befand, sein rechtes Bein nach vorn. Es war ein Tritt der Superlative, und er erwischte die Frau voll.
Ihr Schrei verwandelte sich in ein Gurgeln. Sie schaffte es auch nicht mehr, auf den Beinen zu bleiben. Wie ein Spielzeug, dessen Motor stotterte, stolperte sie durch die Gegend. Sie war sicherlich schon ausgeschaltet, bevor sie noch fiel, dann aber gaben ihre Beine nach, und sie landete auf dem Boden.
Die Machete rutschte ihr genau in dem Moment aus der Hand. Ich hatte das Unglück kommen sehen, war aber nicht schnell genug, so daß die Waffe mit der scharfen Seite zuerst auf ihrem Körper landete.
Sie schnitt nicht durch, sie tötete auch nicht, aber sie drang durch die Kleidung in die Haut ein, und erst dann konnte ich die Waffe an mich nehmen.
Blut sickerte von unten her in die Kleidung. Die Frau selbst war bewußtlos geworden und so verletzt, daß sie unbedingt in ärztliche
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