Satanica
uns gehen und als Ehrengäste am Fest teilhaben.«
Zum zweiten Mal an diesem Tag betraten wir den alten, längst vergessenen Friedhof. Verändert hatte sich nichts, soweit es in der Dunkelheit festzustellen war, aber weiter vor uns war er wirklich zu einer mit einem unheimlichen Flair erfüllten Bühne geworden, auf der sich verschiedene Gestalten tummelten. Unter anderem auch wir, denn wir beide bewegten uns auf den Lichtschein zu.
Ich hatte eigentlich damit gerechnet, so etwas wie ein helles Zentrum zu erleben, das aber traf nicht zu. Er war eigentlich überall. Schon nach wenigen Schritten und noch außerhalb der Helligkeit stellten wir fest, daß so gut wie jedes Grab oder jeder Grabstein mit Kerzenlicht geschmückt worden war.
Es waren dicke Kerzen, die nicht so schnell von einem Windstoß umgekippt werden konnten. Und die Flammen tanzten geschützt hinter dem hochgezogenen Rand.
Noch sahen wir keine der Frauen. Das Licht blendete schon, das Tanzen der Flammen verursachte bei mir eine gewisse Nervosität. Überall sahen wir diese Altäre aus Licht. Manchmal sahen sie so aus, als würden sie in der Luft schweben.
Beide waren wir gespannt auf Satanica. Bisher hatten wir sie nicht zu Gesicht bekommen. Auch jetzt konnten wir sie nicht entdecken. Auch die übrigen Frauen blieben uns verborgen. Sie nutzten geschickt die hohen Grabsteine als Deckung aus.
Diesmal waren wir dicht beisammen geblieben. So brauchten wir nicht laut zu sprechen, um uns verständigen zu können. Sukos Flüstern erreichte mein rechtes Ohr. »Ich gehe einfach mal davon aus, daß sie sich dort versammelt haben, wo auch unser spezielles Grab liegt.«
»Du hast recht.«
»Dann müssen wir, glaube ich, weiter nach links.«
Ich verließ mich auf Suko und änderte die Richtung. Zwar kamen wir dem Schein näher, trotzdem hatte er uns noch nicht erreicht. So blieb auch der Boden in der tiefen Dunkelheit verborgen. Gleichfalls die niedrigen Büsche. Daß manche von ihnen mit Dornen bestückt waren, merkten wir beide, denn einige von ihnen hakten sich sogar an meinen Socken fest, und ich mußte mich losreißen.
Auch Suko fluchte. Allerdings so leise, daß wir nicht gehört wurden.
Dafür vernahmen wir andere Stimmen.
Flüsternd, zischend, recht leise. Aber es war zu hören, daß Frauen sprachen.
Sie unterhielten sich. Rede und Gegenrede waren nicht zu unterscheiden. Es blieb bei einem Gleichklang, es war monoton, und es gab auch keine Person, die lauter sprach, so daß sie die anderen Stimmen damit übertönte.
Der plötzliche Wind überraschte uns alle. Nicht nur Suko und mich, auch die Frauen. Wir hörten ihre erschreckten Rufe. Die Flammen der Kerzen schafften es nicht, sich gegen den plötzlichen Wind zu behaupten. Sie wurden den oberen Rändern der Kerzen entgegengebogen, lagen flach, und für einen Moment sah es so aus, als wären sie ausgelöscht worden.
Dunkelheit fiel über den Friedhof. Nur noch sehr schwach und blaß erhellt.
Dann jedoch, als wären sie von irgendwelchen Geistern geführt worden, richteten sich die Flammen wieder auf.
Weshalb der Wind so plötzlich geweht hatte und dann wieder eingeschlafen war, wußten Suko und ich nicht zu sagen. Es steckte einfach eine andere Macht dahinter, damit fanden wir uns ab.
Nicht aber mit dem Lachen.
Es klang nicht normal. Es röhrte in die Stille hinein und zerschmetterte sie.
Trotzdem hatten wir herausgefunden, daß eine Frau dieses Lachen ausgestoßen hatte.
Im nächsten Moment erhielten wir die Bestätigung.
Satanica war es, die mit mächtiger Stimme einen Namen über den gesamten Friedhof rief. »Baaaal…«
***
Satanica hatte ihren beiden Arme angeschnitten und war danach einen Schritt nach links gegangen, um neben dem Grab stehenzubleiben.
Nicht ein Wort, nicht ein Laut des Schmerzes war aus ihrem Mund gedrungen, und auch ihre Dienerinnen hatten den Atem angehalten.
Ihnen war bewußt, daß etwas Magisches, Mystisches und zugleich Unheimliches geschehen war. Sie brauchten auch nicht nach einer Erklärung zu suchen, sie hätten sie nicht finden können.
So schauten sie eben zu, was auf der Grabplatte geschah, auf die das Blut der Satanica getropft war und sich mit dem anderen anfing zu vermischen.
Ob die Tropfen beim Aufprall nun gezischt hatten wie Wasser auf der heißen Ofenplatte, war ebenfalls zweitrangig geworden. Dafür geschah etwas anderes, denn das Blut auf der Platte bewegte sich. Es kräuselte sich. Das menschliche vermischte sich mit dem Tierblut und
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