Satanica
wieder geschlossen worden war. Wir sahen nur, daß sich dort etwas tat, denn abermals nutzten wir die Lücken zwischen den Körpern und entdeckten auch den hellen Fleck, der sich in Höhe des Grabs befinden mußte. Es war nicht sehr groß und blieb auf die Umrisse beschränkt. Mir zumindest kam in den Sinn, daß es sich durchaus um eine Geistererscheinung handeln konnte. Suko dachte ebenso, den er fragte nur: »Kann das Anat sein? Ist es möglicherweise ihr Geist, den Satanica gelockt hat?«
»Ich denke schon.«
»Und?«
Ich wollte eine Antwort geben und davon sprechen, daß wir uns jetzt am besten trennten, so daß wir das Grab und die Frauen in die Zange nehmen konnten, als zweierlei Dinge passierten.
Zuerst meldete sich Satanica. Es hörte sich an wie abgesprochen. Sie stöhnte auf. Langgezogen, sogar sehr sinnlich. Dann klang ihre Stimme aus dem Nebel hervor. »Ich spüre ihn. Ich weiß, daß er sich in meiner Nähe aufhält. Ich merke, wie er mich umtanzt, wie er immer näher kommt und wie er mich streichelt. Er ist wunderbar. Ich habe lange auf ihn gewartet. Ich wußte, daß er mich nicht im Stich läßt. Er hat seinen Diener, nein, er ist es irgendwo auch selbst. Die alte Kraft streichelt mich. Er ist außerhalb, und ich fühle in mir selbst die große Göttin. Sie hat mich angenommen, ich bin würdig genug für Anat gewesen. Ich bin sie, und sie ist ich, und ich werde weiter in dieser Doppelexistenz leben…«
Das hatten wir gehört. Es wäre schon die Aufklärung gewesen, aber da gab es noch etwas, das mich stutzig werden ließ, und mit dem ich schlecht zurechtkam.
Es hing mit dem Schwert zusammen. Ich benutzte es zwar nicht als Stütze, aber die Spitze berührte den Boden, und ich hatte beide Hände auf den Griff gelegt.
Da geschah es.
Das plötzliche Vibrieren und Zittern der Klinge ließ sich mit normalen Worten nicht erklären. Es mußte etwas in der Nähe sein, das auf diese Klinge übergegangen war. Die Kraft aus der vorchristlichen Zeit. Die Macht der Götter, die mit herübergebracht worden war, eben durch die Beschwörung und auch durch den plötzlichen Windstoß. Die Klinge war ein Freund, der mich warnen wollte. Sie nahm die Kräfte auf, die sich in ihrer Nähe bewegten, und gab sie an mich weiter.
Suko war mein starres Verhalten aufgefallen. Er schaute mich von der Seite her besorgt an, sah auch mein Kopfschütteln und fragte: »Was ist mit dir, John?«
»Nichts, nur mit dem Schwert.«
»Wieso?«
»Es zittert. Es hat etwas festgestellt, und es meldet sich, wenn du so willst.«
»Melden…?«
»Ja, hier geht etwas vor.« Ich hob die Schultern. »Leider weiß ich selbst nicht, was auf diesem Friedhof abläuft. Es ist noch nicht sichtbar, aber vorhanden.«
»Satanica oder Anat?«
»Kann sein.«
»Dann laß uns näher rangehen.«
Das war sowieso nötig, denn noch hielten wir uns zu weit vom Ort des Geschehens auf, um rasch eingreifen zu können. Nicht mal Satanica hatten wir zu Gesicht bekommen, dafür diesen hellen, weißen und klumpigen Nebel auf dem Grab.
War sie das?
Ich schluckte meinen eigenen Speichel, bevor ich das Schwert etwas anhob, damit es den Kontakt mit dem Boden verlor. Kaum schwebte die Spitze über dem Boden, da war von dieser ungewöhnlichen Vibration nichts mehr zu spüren.
»Vorbei?« fragte Suko.
»Ja. Ich spüre es nur, wenn der Kontakt vorhanden ist. Es hat mit diesem verdammten Friedhof zu tun. Er ist verseucht, oder er hat eine Verbindung mit der Vergangenheit bekommen.«
Am Grab tat sich etwas. Plötzlich bewegten sich auch die Frauen. Sie hatten sich an den Händen gefaßt, hielten die Arme gestreckt und reichten aus, um einen Kreis um das Grab bilden zu können. Ihre Augen waren dabei auf die helle Gestalt gerichtet, die sie wohl mit ihren Blicken anbeteten.
Es spielte keine Musik. Sie fingen trotzdem an zu tanzen. Und wieder kam mir eine Szene aus dem Alten Testament in den Sinn. Ich verglich diesen Tanz mit dem Tanz um das Goldene Kalb. Vielleicht war er damals wilder geführt worden, hier hielten sich die Frauen mehr zurück.
Sie bewegten sich langsamer und blieben im Rhythmus. Alles wies darauf hin, daß sie diesen Tanz geübt hatten und es keine Premiere war.
Die Frauen tanzten sich ein. Zuerst waren sie noch etwas steif gewesen.
Nach der zweiten Runde allerdings gaben sie sich schon viel lockerer.
Sie behielten die Schrittfolge bei und kamen nicht aus dem Takt.
Wir brauchten nicht mal besonders vorsichtig zu sein, als wir uns den Frauen
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