Satanica
bildete bald eine rote Fläche.
Der Kreis blieb.
Er zog sich nicht zusammen. Er fächerte auch nicht auseinander, und das Licht der vier Kerzen strahlte ebenfalls ab. Es hatte jetzt ein neues Ziel gefunden, eben den Blutkreis auf der Grabplatte. Als leichter Schimmer glitt es darüber hinweg und veränderte die Oberfläche, denn er gab ihr einen verschiedenartigen Glanz. Mal ein tieferes Rot, dann wieder ein dunkles Gelb.
Satanica aber war in ihrem Element. »Das Blut des Tiers und das Blut des Menschen. Mensch und Tier - Kreaturen, wie schon vor Tausenden von Jahren. Eine Vereinigung, ein Symbol für die Vereinigung, wie es auch Anat getan hat. Damals, als sie sich mit Baal vereinigte. Sie war der Mensch, er das Tier. Und so wird es wieder sein, denn diese Blutmischung hat die Tür aufgestoßen.«
Die Frauen hörten zu. Sie hatten jedes Wort verstanden, nur fiel es ihnen schwer, den Sinn zu begreifen. Damit kamen sie einfach nicht zurecht.
Sie spürten nur, daß die Vereinigung der beiden Blutarten etwas in Bewegung gesetzt hatte, daß auch für sie sehr wichtig werden würde.
Satanica wartete ab. Die Freundinnen interessierten sie nicht mehr. Ihre Aufmerksamkeit galt dem Blutkreis auf der Oberfläche. Sie sah, wie die Masse Blasen warf, als wäre sie bis zum Siedepunkt erhitzt worden.
Dünne, zittrige Rauchfäden stiegen in die Luft und verströmten einen scharfen Geruch.
Die Flüssigkeit kochte. Es gab nichts, was sie erhitzt hätte, dennoch war sie heiß geworden. Sie brodelte. Die Grabplatte hatte sich in einen viereckigen Topf verwandelt, und der Rauch, der in die Höhe stieg, verdichtete sich immer mehr, so daß er zu einem regelrechten Nebel wurde.
Er verteilte sich nicht. Über dem Grab blieb er hängen. Er malte genau die Umrisse als dichte, quellende Wolke nach. Dabei nahm er immer mehr die Form von Watte an, ohne zu dicht zu werden, denn er war noch immer durchsichtig.
Keine der Zuschauerinnen wagte es, sich zu rühren oder zu atmen. Die Blicke waren gebannt auf die Nebelwolke gerichtet, die in ihrem Zentrum so aussah, als wollte sie sich dort auflösen.
Etwas geschah dort.
Eine neue Gestalt entstand.
Ein Schemen aus Gaze. Der Umriß eines Menschen, sehr weich von den Konturen her, aber im Innern so exakt ausgemalt, daß die Brüste zu sehen waren.
Eine Frau und trotzdem ein Geist. Gesichtslos, mehr als Schemen und voller Kraft.
»Anat…?« Das eine Wort war aus dem Mund der ebenfalls zuschauenden Satanica gedrungen. Sie hatte dabei noch gestottert, als könnte sie selbst nicht glauben, was da durch ihre eigenen Aktivitäten passiert war. Wo immer sich Anats Geist auch aufgehalten haben mochte, welche Sphären er auch durchwandert hatte, es war ihm gelungen, sie zu verlassen, weil es einen Menschen gab, der sein eigenes Ich voll und ganz in den Dienst dieser Kriegsgöttin stellte.
Im Zentrum des Nebels hatte sich ein Freiraum gebildet, ohne Nebel.
Satanica erlebte den Beginn ihrer größten Stunde. Sie hatte den vollkommenen Triumph gewollt. Nun stand sie an der Schwelle und brauchte nur mehr einen Schritt nach vorn zu gehen, um in Anats Nähe zu gelangen.
Noch traute sie sich nicht. Sie wirkte wie jemand, die noch ein bestimmtes Vorhaben durchziehen mußte.
Und dann sprach sie. Sie zitierte die Ballade, die an der Innenwand des Grabs zu lesen war.
»Siehe, Anat kämpft in der Ebene. Sie schlachtet zwischen den beiden Städten. Sie schlägt das Volk der Meeresküste, vernichtet die Menschen aus dem Osten…«
Zeile für Zeile sagte sie auf. Dabei betonte sie jede Silbe, als wollte sie sich mit dem Geist der Kriegsgöttin unterhalten oder sie einfach nur bitten, das Opfer anzunehmen.
Als das letzte Wort aus ihrem Mund gedrungen war, blieb sie leicht zitternd stehen. Sie hatte alles getan, was getan werden mußte. Aber noch fehlte der letzte Schritt, und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Satanica mußte das Grab betreten und somit hineingehen in den Nebel, um zu Anat zu gelangen. Sie tat es!
Es war ganz einfach. Dieser eine Schritt nach vorn, dann hatte sie das Zentrum erreicht.
Dreizehn Augenpaare schauten zu. Dreizehn Frauen hielten den Atem an und drückten die Daumen. Satanica war ungemein wichtig auch für sie. Ihre Aktion würde sich auf sie ebenfalls niederschlagen. Satanica war die Botin und Vorreiterin.
In ihrem Gesicht stand nicht zu lesen, was sie fühlte. Sie sah nur angespannt und konzentriert aus, während der Nebel auf sie wartete und sie dann verschluckte.
Er
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