Satanica
bewegte sich. Er umfaßte die Frau. Er spielte mit ihr, aber er breitete sich nicht aus. Einzig und allein auf die Abmessungen des Grabes blieb er beschränkt.
Die Frauen schauten zu. Jede von ihnen versuchte zu erkennen, was sich dort im Innern der dichten Wolken abspielte. Bewegungen waren vorhanden, aber die Sicht wurde ihnen genommen. Keine Zuschauerin konnte genau sagen, ob sich Satanica bereits mit ihrem großen Vorbild vereinigt hatte.
Zumindest war der Nebel in seinem Zentrum heller geworden. Wie eine Masse, die von innen her strahlte, weil sie irgendwann einmal das Licht eingefangen hatte. Auch die Gestalt der Frau war hell geworden. Ein Kranz aus Strahlen umflorte sie.
Sie bewegte die Hände. Um sie herum tanzte die andere helle Gestalt und ging auch auf sie über.
Vereinigung.
Ein scharfes Lachen erreichte die Ohren der Zuschauerinnen. Der Triumph einer Person, die alles gegeben hatte und sich nun am Ziel ihrer Wünsche sah.
Plötzlich wütete der Windstoß. Er raste über den Friedhof hinweg, als hätte sich irgendwo im Unsichtbaren ein gewaltiges Maul versteckt, aus dem dieser Orkan gedrungen war.
Die Kerzenflammen flackerten, weil sie nach unten gedrückt wurden. Für einige Sekunden verschwand ihr Licht.
Es wurde fast dunkel auf dem Friedhof, dann hatten sich die Flammen wieder erholt und kletterten an ihren Dochten hoch.
Auch der Wind war nicht mehr.
Aber er hatte erreicht, was er wollte. Er hatte den dichten Nebel aufgewühlt und eine Botschaft zu derjenigen gebracht, die es anging.
Noch immer stand Satanica mit hochgereckten Armen, umgeben von dieser ungewöhnlichen Masse. Aber sie meldete sich mit überlauter und schon überkippender Stimme.
Ein Wort nur, ein Name.
»Baaaal…!«
***
Erst der Wind, dann der Schrei, der uns beide überrascht hatte. Wir waren nicht weitergegangen, aber wir hatten den Namen des Götzen verdammt gut verstanden. Baal also!
Der uralte Götze. Brutal und kriegerisch. Einer, der völkerübergreifend war und von den verschiedensten Gruppen verehrt und angebetet wurde. Baal, dem auch die Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten zum Opfer gefallen waren, denn sie hatten das Goldene Kalb gebaut und hatten es umtanzt, während sich Moses auf dem Berg Sinai aufgehalten hatte, um dort die Gesetzestafeln in Empfang zu nehmen.
So erzählte es die Bibel. So sprachen auch einige Legenden darüber, das wußte ich alles. Und jetzt war uns klargemacht worden, daß dieser uralte Götze auch in unserer Zeit seine Faszination nicht verloren hatte.
Die Menschen mochten ihn. Sie huldigten ihm noch immer. Sie waren dicht dabei, sie wollten an ihn heran, und sie brachen dabei auch die Gesetze.
In meinem Magen spürte ich den Klumpen. Obwohl der Schrei über den Friedhof getanzt war, wußte ich, daß er nur vor uns erklungen sein konnte. Die Echos hatten sich in alle Richtungen ausgebreitet.
Es war zu keiner zweiten Windbö mehr gekommen. Nicht der leichteste Hauch wehte über das Areal. Es war wind- und auch totenstill geworden.
Aber etwas mußte sich verändert haben, sonst hätte diese Person nicht den Namen des Götzen gerufen. Suko nickte mir zu. »Wir sollten uns die Sache mal ansehen, John.«
»Okay.«
Jetzt kamen uns die hohen Grabsteine zugute. Wir nutzten sie als Deckung. Im Zickzack bewegten wir uns auf das Ziel zu. Es lag ziemlich zentral, wir hatten es vor einigen Stunden erlebt. Da allerdings war es hell gewesen, in der Dunkelheit aber sah alles ganz anders aus.
Wir trennten uns nicht. Es war besser so. Außerdem mußten wir noch die Horror-Reiter mit in die Rechnung einbeziehen. Sie waren erschienen, geirrt hatten wir uns nicht, diese Gestalten konnte man sich nicht einbilden. Die waren echt gewesen.
Ich selbst kam mir nicht lächerlich vor, daß ich das Schwert des Salomo mitgenommen hatte. Irgendwo tief in meinem Innern war ich davon überzeugt, daß ich es noch gebrauchen würde. Da hatte mir meine innere Stimme schon den richtigen Weg gewiesen.
Im Zickzack näherten wir uns dem Ziel und zugleich einem Bereich, wo es heller war, weil die Kerzen an diesem Ort dichter beisammenstanden.
Wenn wir durch günstig liegende Lücken zwischen den Steinen schauten, sahen wir zum erstenmal die Gestalten der Frauen, die Satanica zu Diensten waren.
Sie standen ziemlich dicht beisammen und bildeten einen Halbkreis um das Grab herum, in dem die Leiche des Streetworkers gelegen hatte.
Von unserer Position aus war nicht zu erkennen, ob es abermals geöffnet oder
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