Satans Bruder
versammelte sich eine Menschenmenge, darunter auch Skip Amalfi, der Ben festhielt, bis Dennis ankam.«
»Aber Skip wohnt doch gar nicht in der Nähe«, warf ich ein.
»Er war fischen, unten am Kai, und hörte die Unruhe. Offenbar sah er sich als den großen weißen Häuptling, der alles in die Hand nahm. Er drehte Ben den Arm auf den Rücken und setzte sich auf ihn. Dabei stellte Ben gar keine Ge fahr dar. Er war noch nicht einmal bei Bewusstsein.« »Wieso war er denn bewusstlos?«, fragte ich weiter. Moreland schaute auf seine Knie.
»Stand er etwa unter Drogen?«, fragte Jo.
»Nein«, blaffte Moreland. »Sie behaupten, er wäre betrunken gewesen.«
»Ben?«, rief Pam. »Er ist doch genauso ein Abstinenzler wie du!«
»Ja, das ist er ...«
»Aber war er das immer schon?«, bohrte ich weiter.
Moreland spielte wieder mit dem weißen Flaum an seinen Schläfen. »Er hat seit Jahren nichts mehr getrunken.«
»Wie lange ist es her, dass er mit Alkohol Probleme hatte?«
»Sehr lange.«
»War das noch auf Hawaii?«
»Nein, nein, davor.«
»Aber er ist doch auf Hawaii zur Schule gegangen. Er hat also als Kind getrunken?«
»Ja. Kinderalkoholismus. Das gibt es. Seine Familie war schuld. Beide Eltern waren Trinker und sein Vater war ein böser Säufer. Er starb mit fünfundfünfzig an Leberzirrhose. Seine Mutter ging später an Lungenkrebs zugrunde, obwohl auch ihre Leber sehr mitgenommen war. Sie war eine sture Frau. Ich stellte ihr ein Sauerstoffgerät ins Haus, um ihr die letzten Monate zu erleichtern. Ben war gerade sechzehn und er musste sie die ganze Zeit pflegen. Sie riss sich ständig die Maske vom Gesicht und schrie ihn an, er solle ihr Zigaretten holen.«
»Schlechtes Erbgut und schlechtes Umfeld - typisch«, verkündete Jo.
Moreland sprang auf und taumelte auf sie zu. »Und er hat beides überwunden, Dr. Picker! Nachdem seine Eltern gestorben waren, nahm ich ihn hier auf. Für Kost und Logis bezahlte er mit seiner Arbeit. Zuerst nahm ich ihn als Mädchen für alles, doch dann sah ich, wie intelligent er war, und gab ihm mehr Verantwortung. Er arbeitete sich durch meine gesamte medizinische Bibliothek, hatte plötzlich ausgezeichnete Noten in der Schule und kam vollkommen vom Alkohol los.«
Pam sah nicht mehr überrascht aus, sondern traurig. War sie eifersüchtig auf die Fürsorge, die ihr Vater Ben gegenüber gezeigt hatte, oder war sie einfach betroffen, weil sie nichts davon gewusst hatte?
»Seitdem ist er vollkommen trocken«, bekräftigte Moreland. »Er hat unglaubliche Charakterstärke gezeigt. Deshalb habe ich auch seine Ausbildung finanziert, und nun hat er sein eigenes Leben mit Claire und den Kindern. Sie haben ihn beim Abendessen gesehen. Glauben Sie, Sie hätten da einen psychopathischen Mörder vor sich gehabt?«
Niemand sagte ein Wort.
Er schlug auf den Tisch. »Was die Leute behaupten, ist unmöglich! Schon die Flasche Wodka, die man neben ihm gefunden hat, beweist, dass etwas nicht stimmt. Er trank ausschließlich Bier und seit ich ihn vor Jahren behandelt habe, wird ihm übel, wenn er Alkohol schmeckt. Er hasst Al kohol.«
»Wollen Sie damit sagen, dass ihm jemand den Schnaps eingeflößt hat?«, fragte Jo.
Die Kälte in ihrer Stimme schien ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. »Ich will damit nur sagen, dass er Alkohol weder mag noch verträgt.«
»Dann kann es nur so gewesen sein: Jemand hat ihm den Wodka mit Gewalt eingeflößt. Doch wer sollte das tun? Und warum?«
Moreland knirschte mit den Zähnen. »Das weiß ich nicht, Dr. Picker. Ich weiß nur, was Ben für ein Mensch ist.«
»Auf welche Weise ist Betty ermordet worden?«, fragte ich. »Sie ... es war ... Sie ist erstochen worden.«
»Hat man die Waffe bei Ben gefunden?«
»Er hatte sie nicht in der Hand.«
»Aber sie war am Tatort.«
»Sie steckte ... sie steckte in der Kehle des armen Mädchens! Ist es wirklich notwendig, diese Dinge zu wissen?« Robin umklammerte meine Hand.
»Das Ganze ist absurd!«, fuhr Moreland fort. »Sie behaupten, Ben hätte neben ihr gelegen - auf ihr, seine Arme um sie geschlungen, sein Kopf auf... was von ihrem Bauch übrig war.«
Robin riss sich los und lief zum Geländer der Terrasse.
Ich ging ihr nach und nahm sie in die Arme. Sie zitterte am ganzen Leib.
»Er hat sie verstümmelt?«, sagte Jo.
»Ich lehne es ab, dieses Gespräch fortzusetzen. Es geht jetzt nur darum, wie wir Ben helfen können.«
Robin wirbelte herum. »Und was ist mit Betty? Wer hilft ihrer
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