Satans Bruder
Ungewöhnliches. Es könnte den Reiz sogar erhöhen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass Ben nichts mit Anne-Marie Valdos' Tod zu tun hatte und Betty nur so zugerichtet hat, damit es so aussieht, als wäre es derselbe Täter gewesen. Er könnte eine Affäre mit Betty gehabt haben, die er beenden wollte - für immer. Vielleicht war es sein Baby ...«
»Aber wie kann er sich so leicht erwischen lassen, wenn er so berechnend sein soll?«
»Auch das ist nicht ungewöhnlich. Solche Leute neigen immer zu absurden Fehlern. Sie bewegen sich auf einem schmalen Grat. Innerlich sind sie vollkommen durcheinander, doch zugleich geben sie den Anschein äußerster Selbstkontrolle: die Maske der Normalität. Doch irgendwann wird der Druck so groß, dass sie die Maske fallen lassen, was oft nicht ohne einen gewissen Anstoß geschehen kann. Bei Ben war es der Alkohol.«
Robin schüttelte sich. »Es will mir immer noch nicht einleuchten. Ich sehe ein, dass er Alkohol benutzte, um seine Hemmungen zu überwinden, aber warum bleibt er betrunken am Tatort liegen, nachdem er sie umgebracht hat?«
»Möglicherweise hat er nur wenig getrunken, bevor er sich mit Betty traf, und dann hat er mit ihr zusammen weitergemacht und sie getötet, bevor der Alkohol seine ganze Wirkung entfaltete, und dann: totaler Blackout. Nach Bills Auskunft hatte sich Ben stets an Bier gehalten. Mit Wodka konnte er einfach nicht umgehen.«
Sie rieb sich die Augen. »Aber er hat immer so anständig gewirkt. Jetzt klinge ich wahrscheinlich wie die Leute, die man immer im Fernsehen sieht: ›Er war so ein netter, ruhiger Mann ...‹ Zumindest kann man noch herausfinden, wer der Vater des Babys war, das Betty erwartete. Wer wird die Obduktion durchführen?«
»Dennis hat einen Anwalt aus Saipan angefordert. Ich nehme an, er lässt auch einen Pathologen kommen.«
Sie lehnte sich an meine Schulter. »Grauenhaft.«
»Und wie wird Pam damit fertig?«
»Zuerst redete sie nur von Billy - welche Sorgen sie sich um ihn macht. Sie will ihm helfen, aber er weist sie zurück.« »Das tut er allerdings.«
»Doch sie gibt nicht so schnell auf. Sie glaubt, sie sei es ihm schuldig.«
»Wofür?«
»Weil er sich nach ihrer Scheidung um sie gekümmert hat. Sie hat mir noch mehr über sich erzählt. Sie sagt, sie hätte schon immer Schwierigkeiten mit Männern gehabt, schon vor ihrer Ehe. Sie fühlte sich immer zu Verlierern hingezogen und zu Kerlen, die grob zu ihr waren, psychisch und physisch. Nach der Scheidung war sie so niedergeschlagen, dass sie an Selbstmord dachte. Ihr Psychiater wollte ein Sicherheitsnetz für sie aufziehen, fand heraus, dass Bill der einzige Angehörige war, und rief ihn an. Zu Pams Überraschung flog er sofort nach Philadelphia und blieb bei ihr, bis es ihr besser ging. Er bat sie sogar um Verzeihung dafür, dass er sie fortgeschickt hatte. Er sagte, der Verlust ihrer Mutter wäre zu viel für ihn gewesen; es wäre ein großer Fehler gewesen und er wüsste, er könne es nie wieder gutmachen, und dann bat er sie, mit auf seine Insel zu kommen und ihm noch eine Chance zu geben. Und jetzt, wo sie hier ist ...«Sie schaute auf ihre Uhr. »Es wird gleich hell. Eines will ich dir noch sagen: Trotz allem, was geschehen ist, bereue ich nicht, dass wir hergekommen sind. Wenn wir wieder in L. A. sind, werde ich mich nur noch daran erinnern, wie wir hier zusammen waren, und an die anderen positiven Dinge. Im Geist werde ich es mir einrahmen wie ein Bild.«
Eine schöne Vorstellung, obwohl ich nicht sicher war, ob ich Robins Einbildungskraft aufbringen konnte.
26
Um zehn waren die Reservierungen im Kasten. In fünf Tagen würden wir in Saipan sein und in einer Woche zurück in L. A. Ich würde einen passenden Augenblick abwarten, um Moreland zu erzählen, und wenn sich keiner fand, würde ich es ihm trotzdem sagen.
Dann rief ich die Polizeistation an. Ein Mann mit zischen der Stimme klärte mich auf, sein Chef hätte zu tun. »Wann könnte er denn Zeit haben?«
»Wer spricht da?«
»Dr. Delaware. Ich wohne bei -«
»Im Messerschloss, ich weiß. Ich richte ihm aus, dass Sie angerufen haben.«
Robin schlief noch und ich ging allein zum Frühstück hinunter. Jo saß am Tisch und langte kräftig zu.
»Guten Morgen«, begrüßte sie mich, »haben Sie noch etwas Schlaf bekommen?«
»Nicht viel.«
»Es ist grauenhaft, nicht wahr? Da fliehen Sie aus der Großstadt, wo die Leute sich gegenseitig umbringen, und dann scheint Sie alles einzuholen.«
Ich
Weitere Kostenlose Bücher