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Satans Erbe (German Edition)

Satans Erbe (German Edition)

Titel: Satans Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maylynn
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Brust griff.
    All die Tränen … verloren.
    Mit einem Röcheln sackte er in sich zusammen, seine Stimme erstarb.

14.
     

Neuer Mariendom
St. Georg, Hamburg, Deutschland
1957
     
     
    » H abe ich dir nicht schon hunderttausendmal gesagt, du sollst in der Kirche bleiben? Hier, direkt bei den Bänken, verdammt noch mal!«
    Ich zog den Kopf ein. Nicht, dass ich Angst hatte, dass Paps mich schlagen könnte. Das tat er nie. Seine Stimme schallte in der leeren Kuppel wider wie Donnerhall, als wäre er der Heilige Vater persönlich. Außerdem fühlte ich, wie sich unzählige Augenpaare auf mich richteten, obwohl niemand außer uns im Kirchenschiff war. Ich nickte, während ich einen Kloß im Hals spürte. Kaum hatte ich mich auf eine der harten Bänke gesetzt, ließ sich Papa vor mir auf die Knie fallen und zog mich an sich.
    »O Simon, mien lütt Jung. Tut mir leid. Entschuldige, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Aber bitte, bitte bleib hier sitzen, bis ich mit der Arbeit fertig bin. Dann gehen wir nach Hause und ich koche uns was Feines. Ja? Es geht nicht anders, versteh mich doch.«
    Ich schaute ihn traurig an und blinzelte ein paar Tränen weg. Papa drehte sich rasch um und ließ mich wieder allein. Allein mit meinen Gedanken, den unheimlichen Steinskulpturen, den Wandmalereien und der bedrückenden Stille, die nur ab und zu durch die Hammerschläge oder den Maschinenlärm der Arbeiter aus den beiden Türmen unterbrochen wurde. Seit Mama gestorben war, musste ich jeden Tag nach der Schule in den Kirchen verbringen, in denen Papa gerade arbeitete, und machte meine Hausaufgaben auf einer der harten Holzbänke.
    Ich stellte die Füße auf den Sitz und umfasste meine Knie.
    Hinter mir räusperte sich jemand. Mein Herz fing heftig an zu pochen. Ich dachte, niemand wäre hier. Wohl deshalb standen mir die Nackenhaare zu Berge. Meine Beine glitten wie von selbst brav auf den unebenen Steinboden zurück und ich legte die Hände auf die Schenkel. Ich betrachtete sie wehmütig. Sie waren ganz staubig von meiner kürzlichen Tour durch die unrenovierten Gänge. Sollte ich mich umdrehen? Ich spitzte die Ohren, doch ich hörte weder das Scharren von Schuhen noch ein Hüsteln oder ein leises Gebet. Viel schlimmer als das stundenlange Herumsitzen und Warten waren die alten Menschen, die herkamen, um mit dem Kerl zu reden, der keinen Steinwurf entfernt an seinem Kreuz hing. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sich das Bild in meine Augen eingebrannt hatte, weil ich es auch sah, wenn ich sie schloss. Dieser blutende, hängende Langhaarige verfolgte mich bis in meine Träume. Jesus, pff.
    »Als wenn ich dich tagsüber nicht lang genug ertragen müsste.«
    Erneut räusperte sich jemand.
    Ich wirbelte herum.
    Fast am Ende des gewaltigen Kirchenschiffs, gleich neben der weißen Madonna, saß eine kleine, schwarz gekleidete Gestalt. Ich sah in jede düstere Ecke. Sie war die Einzige mit mir im Dom. Was wollte die von mir? Ich drehte mich nach vorn, doch von dort glotzte der Typ am Kreuz mich an.
    Es war zum Verrücktwerden.
    Ich legte mich auf die Bank, ließ die dreckigen Schuhe von der Kante hängen und richtete den Blick an die hohe Decke. Eine Kuppel wölbte sich über mir. Wie in fast jeder Kirche. Langweilig. Das schwache Licht, das durch die bunten Glasfenster hereindrang, malte verschwommene Schatten auf die ursprünglich weißen Wände. Mächtige Bogen spannten sich über meinen Kopf hinweg, angenagt vom Krieg. Risse zogen sich quer durch das Gewölbe und die dicken Steinmauern. »Na bravo«, brummte ich vor mich hin, »ein Gekreuzigter, eine trauernde Kriegswitwe und ein Junge, verschüttet und begraben vom Dom.«
    Ich drehte mich auf den Bauch und drückte die Stirn auf das harte Holz. Hätte ich bloß dem Schreihals vor dem Deutschen Schauspielhaus oder einem Reisenden am Bahnhof eine Zeitung geklaut, dann hätte ich jetzt wenigstens lesen können. Es war mir egal, dass ich das Meiste nicht entziffern konnte. Ein paar Wörter kannte ich allerdings schon und den Rest reimte ich mir mithilfe der Bilder zusammen. Dabei verging die Zeit wie im Flug. Das war wesentlich interessanter, als in der Nase zu bohren, an den Fingernägeln zu knabbern oder zu versuchen, die Geschichten der bunten Glasfenster zu ergründen.
    Klappernde Schritte auf dem Mittelgang ließen mich hochfahren. Das schwarze Gespenst kam schleppend auf mich zu. Ich wusste, dass hinter dem Schleier ein Mensch steckte. Sie war nicht die erste Trauernde, die

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