Satans Erbe (German Edition)
Arno arbeitete, nervös geworden. Arno hatte sich von einem Mann, zu dem er aufschauen konnte, zu einem unberechenbaren Haustyrannen entwickelt. Sah man ihm den Groll gegen seinen Arbeitgeber an? Wenigstens war es gut für Lisa, dass Arno noch mehr unterwegs war als früher.
»Bitte setzen Sie sich, John. Erzählen Sie Lisa immer noch diese Blumengeschichten?«
Er hatte genickt und gelächelt, ungeachtet dessen, dass sein Herz sich verschloss. Was für eine neue Regel sollte nun eingeführt werden?
»Ich möchte, dass Sie ab sofort damit aufhören. Lisa ist kein kleines Kind mehr und soll in der Realität leben.«
John hatte erneut genickt, obwohl alles in ihm Nein, das können Sie nicht machen, Lisa liebt diese Geschichten schrie. Er wollte seinen Chef packen, ihn schütteln, bis er zur Vernunft kam. Lisa war ein kleines Mädchen, sie brauchte Träume, Hoffnung und Spaß. Doch er war zu feige. Er stand auf, rückte den Stuhl zurecht und hatte geantwortet: Selbstverständlich, Herr von Felthen , und das Büro verlassen.
Ein seltsames Geräusch ließ ihn sich aufrichten. Es war höchstens halb sieben. John horchte. Er befand sich am Ende des Grundstücks, beim Goldorfenteich und den alten hohen Weißtannen und harkte die Schuppen der Zapfen zusammen.
Eine Art Quietschen drang an seine Ohren. Er legte die Harke beiseite und ging in weitem Bogen um die Villa herum. Hier war der Rasen noch mitgenommen von den Baumaschinen und Männerstiefeln. Da vernahm er erneut diesen Ton, bei dem sich ihm die Haare sträubten. Er erinnerte an ein Stück Kreide, das ihm beim Rechnen an der Schultafel abgebrochen und über die Schiefertafel gekratzt war.
Und jetzt wusste er auch, wo das Geräusch herkam …
Lisa stand im Nachthemd hinter den Scheiben des neuen Wintergartens. John hatte von außen einen Rundbogen angebracht, um dessen Gerüst sich bereits verschiedenfarbige Kletterrosen rankten.
Das Mädchen drückte Stirn und Stupsnase gegen das Glas und streckte die Arme nach oben. Sie zog irgendetwas über die Glasfläche, womit sie diesen in Mark und Bein dringenden Ton verursachte. Immer und immer wieder.
John schluckte. Er wusste, warum dieser Glaskäfig gebaut worden war, er wusste es und konnte nichts dagegen tun. Die Kleine durfte jetzt gar nicht mehr an die frische Luft. Sein Puls beschleunigte sich vor stiller Wut und unterdrückter Trauer. Keine Geschichten mehr …
Unwirsch fuhr er sich mit dem Ärmel über das Gesicht und ging schweren Herzens zurück an seine Arbeit.
Arme kleine Lisa.
44.
Schwarzenburg, Schweiz
6. November 2008
U lrike fuhr ihren betagten Computer herunter und seufzte zufrieden. Endlich hatte sie es geschafft, ihre beiden einzigen Freundinnen zu ihrem Geburtstag in fünf Tagen per E-Mail einzuladen. Sie fragte sich, ob dies zu kurzfristig war, weil sie ihn ohnehin vergessen hatten? Ulrike schüttelte über sich selbst den Kopf und stand auf. Sie war hundemüde, wollte aber noch einige Dinge erledigen, bevor sie sich schlafen legte.
Sie deckte die Tastatur mit einem Handtuch zu, schenkte sich Sekt nach und tastete im Badezimmer nach dem Lichtschalter. Mist. Sie hatte wieder verschwitzt, eine neue Glühbirne zu besorgen. Das Bad war allenfalls eine Dunkelkammer. Sie griff mit der freien Hand nach der Färbepackung und einem Kamm und ging in die Küche. In ihrer Kochnische war es ziemlich eng, hauptsächlich, weil sich dort das Geschirr der letzten Tage stapelte.
»Okay, okay«, murrte sie, stellte Packung und Sektflöte beiseite und begann, Teller und Gläser abzuwaschen. »Bald hat das ein Ende«, brummte sie vor sich hin, um sich besser zu fühlen und gönnte sich einen weiteren Schluck, wobei sie Schaum am Glas zurückließ. Eine Putzfrau sollte drin sein!
Es war seltsam, dass ihr der Sekt schmeckte. Normalerweise hinterließ Alkohol bei ihr nach dem ersten Nippen einen fahlen Beigeschmack und vergraulte ihr jeden weiteren Genuss.
Ihr Vater war kurz nach ihrer Ausbildung zur Landwirtin an einem Gehirnschlag gestorben. Wie immer dachte sie, dass es dazu nicht hätte kommen müssen, wenn sie sich nicht so heftig gestritten hätten. Doch ihre Vermutungen, dass ihr Vater sich über kurz ober lang sowieso zu Tode gesoffen hätte, weil er den Unfalltod ihrer Mutter nicht verkraftete und die Schulden des Hofes nicht aufzufangen vermochte, hatten sich während ihrer Fortbildungen bestätigt. Da gab es ihm wohl den Rest, dass seine Tochter sich weigerte, den ältlichen Bauern von
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