Satans Eulen
zurückzuziehen.
»Sei um Himmels willen ruhig, Enna, bitte, keinen Laut. Schrei nicht, reiß dich zusammen…«
Die Frau sagte nichts. Sie tat allerdings, was ihr Mann von ihr wollte. Schritt für Schritt bewegte sie sich nach hinten, wie eine Puppe, die geführt werden mußte. Nur war sie nicht so steif, denn ihre Knie zitterten. Der Anblick dieser Satans-Eule hatte sie tief bis ins Mark getroffen.
»Ja, Enna, gut. Ausgezeichnet. Wir machen das schon…« Die Worte des Malers sollten seine Frau beruhigen. »Du bist ausgezeichnet, du bist gut. Das klappt alles wunderbar, herrlich… so schaffen wir es…«
Mit diesen Worten wollte er nicht nur seine Frau beruhigen, sondern auch sich selbst.
Die Eule tat nichts. Bewegungslos hockte sie auf der Schwelle, vom Lichtschein umspielt, der auch einen Streifen nach draußen warf. Hinter ihm lauerte die Nacht. Was sich noch alles in der Dunkelheit verbarg, daß wußte Lars nicht. Er ahnte jedoch Fürchterliches. Einen Plan hatte er ebenfalls gefaßt. Er wollte seine Frau in die Küche ziehen. Dort waren sie in einer relativen Sicherheit. Wenn der Totenvogel angriff, konnten sie sich wenigstens mit den Hockern verteidigen.
Sie erreichten die Küche auch. Schritt für Schritt hatte Lars seine Frau in Sicherheit gebracht, und schon bald spürte er die Fliesen unter seinen Schuhen.
Jetzt war ein Teil geschafft.
Der Mann atmete auf.
Allerdings konnte die Strige ihn noch sehen. Die Küche bildete praktisch die Verlängerung des Flurgangs, so daß sie von der Türschwelle aus beobachtet werden konnten.
Das tat die Eule auch. Sie fixierte ihre Opfer. Obwohl sie keine Augen besaß, glaubte der Maler, sich unter ihrem kalten Blick ducken zu müssen. Das war verrückt, sicher, aber in diesen Momenten des Stresses bildete er sich das ein.
Mit dem Rücken stieß er gegen die in den Raum hineinstechende Küchentheke, wo die Familie ihre Mahlzeiten einnahm. Enna hatte bereits für das Abendbrot gedeckt. Da lagen die roten Sets, darauf standen die Teller, und auf dem Ofen schmorte noch ein Stück Braten vom Mittag.
Und noch etwas lag neben der eingebauten Herdplatte. Ein Messer!
Lars Strindbergs Blicke blieben an der langen, glänzenden Stahlklinge haften. Dieses Messer war in der Tat sehr scharf. Metzger benutzten es ebenfalls, um ihr Fleisch zu schneiden. Vorn lief es spitz zu, und es würde auch den Körper dieser verfluchten Eule durchdringen, wenn er zustach. Das ließ er sich nicht nehmen. Diese Strige sollte ruhig angreifen, wehrlos würde sie ihn diesmal nicht vorfinden. Er sprach leise seine Frau an. »Enna, Liebling, geh zur Seite, ich bitte dich…«
Sie reagierte nicht. Steif stand sie da. Innerlich verkrampft. Ihr Blick war starr in den Flur und damit auch auf die Eule gerichtet, deren Totenkopf im Licht der Lampe noch immer makaber schimmerte.
Als sich bei Enna nichts tat, schob Lars sie einfach zur Seite. Er drückte sie anschließend hinter sich, damit sie sich in der Nähe des Fensters aufhalten konnte.
So war es schon besser.
Da reagierte auch die Eule. Zum erstenmal seit das Ehepaar sie gesehen hatte, breitete sie die Flügel aus. Der Maler war von der Spannweite überrascht, und er schluckte, wobei er sich fragte, ob sein Optimismus nicht etwas verfrüht gewesen war, denn die Satans-Eule machte mit ihren ausgebreiteten Flügeln einen sehr gefährlichen Eindruck.
Dann hob sie ab.
Zuvor hörten Enna und Lars noch das Flappen ihrer Flügel. Sie stieg bis dicht unter die Decke und bewegte die breiten Flügel sehr schnell, damit sie sich auch in dieser Stellung halten konnte.
Lars schnellte zur Seite. Er hatte sich schon zuvor genau gemerkt, wo das Messer lag. Sicher umschlossen die fünf Finger seiner rechten Hand den Griff.
Er drehte die Klinge so, daß die Spitze nach vorn in den Gang zeigte und damit auch der Eule entgegen.
»Komm nur!« flüsterte der Mann. »Komm nur, du verfluchte Bestie. Diesmal kriege ich dich!«
Wie ein Rachegott stand er hinter dem Frühstückstresen. Der Verband um seinen Kopf schimmerte hell. An einer Stelle, wo das Blut durchgedrungen war, sah man einen roten Fleck. An Schmerzen dachte Lars nicht mehr, er konzentrierte sich voll auf diesen gefährlichen Gegner.
Und die Strige griff an!
***
Die Conollys saßen bereits am Tisch, als ich den Saal betrat. Mich umfing ein Stimmengewirr, das wie ein Rauschen wirkte. Wer schon einmal solche Feiern miterlebt hatte, wird diese Geräusche kennen. Die Tische waren festlich gedeckt.
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