Satori - Winslow, D: Satori - Satori
stellte eine Steingutkasserole auf den Tisch, nahm den Deckel ab und verkündete: » Coq au vin . Ich hoffe, es schmeckt Ihnen.«
Es roch verlockend.
Er sagte: »Ich habe seit vielen Jahren keine europäische Küche mehr gekostet.«
»Ich hoffe, sie wird Ihren Magen nicht verstimmen«, sagte sie. »Aber von jetzt an müssen Sie französisch essen.«
»Mit Vergnügen, aber warum?«
Solange zog eine hübsche Schnute und erwiderte: »Ich möchte es vorsichtig sagen, um Sie nicht zu beleidigen …«
»Bitte sprechen Sie ganz unverblümt«, sagte er, obwohl er bezweifelte, dass Unverblümtheit zu ihrem Repertoire gehörte.
»Im Moment«, sagte sie, »riechen Sie wie ein Japaner. Il faut que vous ayez l’odeur d’un vrai français .«
»Verstehe.« Das stimmte natürlich. Im Gefängnis hatte er die Nationalität eines jeden Wärters, der auf dem Gang an seiner Zelle vorbeilief, am Geruch erkennen können. Die Amerikaner rochen nach Rindfleisch, die Russen nach Kartoffeln, und die japanischen Wärter verströmten einen Geruch von Fisch und Gemüse. Und Solange? Er roch nur ihr Parfüm.
»Darf ich servieren?«, fragte sie.
»Bitte.«
Sie schöpfte ihm eine große Portion des nahrhaften Hühnchengerichts auf den Teller und legte noch ein paar Stangen Spargel aus einer anderen Schale dazu. Dann schenkte sie ihm ein Glas kräftigen Rotwein ein. »Am besten, man serviert zum Essen den Wein, in dem das Hühnchen gegart wurde. Guter französischer Wein, Monsieur.«
»Nennen Sie mich Nikolai.«
» Eh bien , Nikolai«, antwortete sie. »Bitte sagen Sie Solange.«
»Was für ein hübscher Name.«
Sie errötete, und es stand ihr sehr gut. Dann setzte sie sich und nahm sich selbst etwas, wartete aber, bis er gekostet hatte, und fragte: »Schmeckt es?«
»Hervorragend.« Es war die Wahrheit. Die Aromen, fein, aber doch deutlich zu schmecken, explodierten in seinem Mund, und der Wein erinnerte ihn an die Mahlzeiten zu Hause mit seiner Mutter. Vielleicht, dachte er, sollte ich mir angewöhnen, europäischen Wein zu trinken … wenn ich überlebe. »Mein Kompliment an den Koch.«
Sie neigte den Kopf. »Merci.«
»Sie haben das selbst gekocht?«, fragte er erstaunt.
»Ich koche sehr gerne«, sagte sie. »In den vergangenen Jahren hatte ich nur wenig Gelegenheit, deshalb ist es mir eine besondere Freude.«
Solange nahm ihre Gabel und ließ es sich auf eine Weise schmecken, die bei einer japanischen Frau als unziemlich gegolten hätte. Bei ihr aber wirkte es einladend und verriet eine Lebensfreude, wie Nikolai sie in den langen Jahren des Krieges, der Besatzung und der einsamen Haft nicht hatte erleben dürfen. Es war ein Spaß zuzusehen, wie sie ihre Mahlzeit genoss. Nach wenigen Minuten sagte er: »Der Mann, dem ich nacheifern soll, hat also französisch gegessen, auch in Asien?«
»Ich glaube, ja.«
»Wie hat er das hinbekommen?«
»Geld«, antwortete sie, als läge es auf der Hand. »Geld macht alles möglich.«
»Ist das auch der Grund, weshalb Sie für die Amerikaner arbeiten?«, fragte er und bereute sofort, die Frage gestellt zu haben, wunderte sich, weshalb er das Verlangen verspürte, sie zu kränken.
»Tout le monde« , sagte Solange. »Alle arbeiten jetzt für die Amerikaner.«
Sogar Sie, mon ami , dachte sie und lächelte ihn an. Sie stand auf. »Ich habe eine tarte tatin gemacht. Möchten Sie?«
»Sehr gerne.«
»Kaffee?«
»Ich würde Tee bevorzugen, wenn Sie welchen haben.«
»Von jetzt an trinken Sie Kaffee, Nikolai«, sagte sie. »Un expresso avec une cigarette.«
Sie verschwand für eine Minute, kehrte mit der Apfel-Tarte, einer kleinen Kanne Espresso und einem Päckchen Gauloises zurück, und stellte alles auf den Tisch.
»Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit«, sagte Nikolai. »Ich bin es nicht mehr gewohnt, mich zu unterhalten.«
»Problème.« Ihr gefiel, dass er sich entschuldigte.
Die tarte war köstlich, der Kaffee erstaunlicherweise auch. Nikolai lehnte sich zurück und Solange schob ihm das Päckchen Zigaretten zu.
»Nehmen Sie zwei«, sagte sie, »zünden Sie sie an und geben Sie mir eine.«
»Ernsthaft?«
Sie lachte. »Sind Sie früher nicht ins Kino gegangen?«
»Nein.« Er hatte die Vorstellung immer seltsam gefunden, sich hinzusetzen und die auf Zelluloid gebannten Fantasien anderer Leute anzustarren.
»Ich liebe das Kino«, sagte Solange. »Ich wollte immer Schauspielerin werden.«
Nikolai überlegte, ob er sie fragen sollte, was sie daran gehindert
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