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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Einzelhaft gesessen, wo es egal gewesen war, wie man aussah – abgesehen von den Wärtern hatte dort ohnehin niemand auf ihn reagiert.
    Doch plötzlich verspürte er einen Anflug von Furcht, was ihn erstaunte und beunruhigte. Anscheinend war es ihm wohl doch nicht egal, wie er aussah, und er merkte, dass Solange der Grund dafür war.
    Mir ist wichtig, was sie denkt, stellte er erstaunt fest. Ich fürchte mich vor ihrer Reaktion, wenn sie den Verband abnimmt und ich immer noch hässlich bin. Er hatte nicht gewusst, dass solche Gefühle noch in ihm schlummerten.
    Bemerkenswert, dachte er.
    »Ich bin so weit«, sagte Nikolai.
    Sie gingen ins Badezimmer. Solange ließ ihn auf einem Hocker vor dem Spiegel Platz nehmen, stellte sich neben ihn und löste mit sanften Händen den Verband.
    Er war schön.
    Man kann es nicht anders sagen, dachte Solange. Er ist ein schöner Mann. Seine smaragdgrünen Augen setzten sich von seinen hohen, markanten Wangenknochen ab. Sein breiter Kiefer war ausgeprägt, sein Kinn mit den Grübchen niedlich, ohne verweichlicht zu wirken. Und er sah jugendlich aus – sehr viel jünger, als seine sechsundzwanzig Jahre vermuten ließen, und das trotz allem, was er durchgemacht hatte.
    »Bravo, Doktor«, sagte Solange. »Gefällt es Ihnen?«
    Ich bin tatsächlich erleichtert, dachte Nikolai und sah das Lächeln in ihrem Gesicht. Zwar hätte sie das Lächeln sowieso vorgetäuscht, aber er war froh, dass ihm das offensichtli che Geschick des Chirurgen diese Demütigung erspart hatte. Er sagte: »Ich bin nicht sicher, ob ich mich selbst wiedererkenne.«
    »Sie sehen sehr gut aus.«
    »Finden Sie?«
    »Sie sollten sich hören, fishing for compliments «, sagte Solange. »Ja, das finde ich. Sie sehen sehr gut aus. Aber jetzt komme ich mir neben Ihnen sehr alt vor.«
    »Sie sind eine wunderschöne Frau, und das wissen Sie.«
    »Aber meine Schönheit verblasst«, entgegnete sie. »Vielleicht sollte ich mich auch mal an diesen Arzt wenden …«

8
    A n diesem Nachmittag kam Haverford.
    Er begutachtete Nikolais Gesicht, als handelte es sich um ein Testprodukt, und erklärte das Resultat für zufriedenstellend. »Er hat gute Arbeit geleistet.«
    »Freut mich, dass Sie sich freuen«, antwortete Nikolai.
    Sie setzten sich ins Esszimmer. Haverford legte eine Akte auf den Tisch und begann ohne weitere Vorrede: »Sie sind Michel Guibert, sechsundzwanzig Jahre alt, geboren in Montpellier, Frankreich. Als Sie zehn Jahre alt waren, zog Ihre Familie nach Hongkong, wo Ihr Vater seinen Import-Export-Handel weiterführte. Sie haben die japanische Besatzung überlebt, weil Ihre Familie aus Vichy-Frankreich stammt und daher kein Problem mit den Achsenmächten hatte. Bei Kriegsende waren Sie alt genug, um in den Familienbetrieb einzusteigen.«
    »Und der wäre?«
    »Waffen«, sagte Haverford. » La famille Guibert hat schon Waffen auf dem Schwarzmarkt verkauft, als noch mit Musketen geschossen wurde.«
    »Gibt es die Familie Guibert wirklich?«, fragte Nikolai, »oder ist sie reine Erfindung?«
    »Papa Guibert ist sehr real«, antwortete Haverford.
    »Und hat er einen Sohn?«
    »Er hatte einen«, erwiderte Haverford.
    Bei den Fotografien, die er nun auf den Tisch blätterte und die einen Jungen zeigten, der in einem chinesischen Innenhof spielte, den Köchen half oder über eine Geburtstagstorte hinweg lächelte, hätte es sich durchaus um den kleinen Nikolai handeln können. »Betrüblicherweise hatte Michel einen schrecklichen Autounfall. Ich hörte, er wurde völlig entstellt. Umfassende chirurgische Maßnahmen waren nötig. Und jetzt sieht er fast wieder so aus wie früher.«
    »Haben Sie diesen ›Unfall‹ veranlasst?«, fragte Nikolai.
    »Nein«, erwiderte Haverford. »Mein Gott, halten Sie uns für Ungeheuer?«
    »Hmmm … die Mutter?«
    »Erst kürzlich verstorben. Das Ganze hat sie sehr mitgenommen.«
    »Sie verblüffen und entsetzen mich«, sagte Nikolai.
    »Sie sind um einiges reifer geworden«, fuhr Haverford fort. »Früher waren Sie ein Spieler und Frauenheld, und Papa hat sie für drei Jahre in die Heimat nach Frankreich verbannt. Sie haben in Monaco einen beträchtlichen Teil des Familienvermögens verprasst, aber jetzt bereuen Sie Ihren lasterhaften Lebensstil und sind zurückgekehrt, um sich zu bessern.«
    »Wie?«, fragte Nikolai.
    »Das müssen Sie jetzt noch nicht wissen«, antwortete Haverford. »Studieren Sie die Unterlagen. Solange wird Ihnen helfen und die Details abfragen. Wenn Sie Ihre neue

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