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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Platz am Fuß der Brücke. Andere schoben die Schaulustigen mit Gewehren zurück, während ein Offizier weitere Soldaten in einer Reihe aufmarschieren ließ.
    »Hinrichtungen finden öffentlich statt?«, fragte Nikolai.
    »So sind sie anderen eine Lehre.«
    Entgegen allen ethnischen Klischees blieb der Italiener stumm und stoisch stehen, während die Beine des Japaners ihrem Herrn den Dienst versagten und er schluchzend auf die Knie fiel. Ein Soldat zerrte ihn wieder auf die Füße, und dann sah Nikolai einen Mann in einem langen schwarzen Mantel und einem schwarzen Hut aus dem Fond eines der Wagen steigen und auf die Gefangenen zugehen.
    Er hielt einige Papiere in der linken Hand.
    »Kang Sheng«, sagte Chen mit einem ehrfurchtsvollen Beben in der Stimme.
    Nikolai beobachtete Kang, der an der Menge vorbei zu den Gefangenen schritt und eine Bekanntmachung verlas, die deren Verbrechen benannte und sie dem gerechten Zorn des Volkes überantwortete. Der Große Vorsitzende hatte ihnen in seiner Gnade gewährt, erschossen statt stranguliert, geköpft oder vom Mob zu Tode geprügelt zu werden.
    Kang beendete seine Rede, blieb noch einen Moment stehen und trat dann ab.
    Der Offizier brüllte einen Befehl, und die Soldaten legten mit einem lauten metallischen Klappern, das durch die kalte Luft hallte, ihre Gewehre an. Der Italiener wirkte gefasst, doch Nikolai sah den Urinfleck, der seine Hose dunkler färbte. Auch die Menge sah es und spottete lauthals.
    »Schaut nur! Der bepisst sich!«
    »Hat gestern Nacht wohl einen über den Durst getrunken!«
    Der Japaner sank erneut auf die Knie. Ein Soldat machte Anstalten, ihn wieder aufzurichten, doch der genervte Offizier schüttelte den Kopf und bellte einen weiteren Befehl, woraufhin drei Soldaten ihr Ziel ins Visier nahmen. Der Offizier hatte ein Gespür für Dramatik und hob seinen Arm, hielt aber inne, bis es ringsum ganz ruhig geworden war.
    Nach einem Moment der Stille ließ der Offizier die Hand fallen und schrie einen Befehl. Die Schüsse dröhnten, und Nikolai sah die beiden Gefangenen zu Boden sacken.
    Der Himmelstempel mit seinen blauen Dachziegeln, die in der Sonne glitzerten, ragte hoch über ihnen auf.
    »Spione«, sagte Chen noch einmal.

32
    Nikolais Nachricht wurde fünfmal weitergereicht, bis sie endlich Haverford in Tokio erreichte. Trotzdem kam sie unverändert an, und Haverford entschlüsselte sie sofort.
    Zheng Yici, Donnerstagnacht.
    Die Mitarbeiter der CIA in Tokio machten sich unverzüglich an die Arbeit. Innerhalb weniger Minuten hatte Haverford eine Karte von Peking und mehrere Luftfotografien vor sich und zog einen roten Kreis um das Opernhaus Zheng Yici. Bald darauf stand ein chinesischer Flüchtling aus Peking in seinem Büro und erklärte, das Operngebäude befände sich im Viertel Xuanwu, südwestlich der Altstadt und nicht weit vom Himmelstempel entfernt. Die Gegend sei ein einziges Labyrinth aus schmalen hutongs und alten Wohnhäusern. Vor der Machtübernahme der Kommunisten befanden sich hier die bada hutongs , der Rotlichtbezirk.
    Haverford dankte ihm und entließ ihn, dann sprach er über eine geschützte Leitung mit Bill Benton, dem Leiter des Pekinger CIA-Büros, der jetzt von Macau aus agierte.
    »Ich brauche Fotos und einen Grundriss des Zheng Yici Opernhauses«, sagte Haverford, »und eine Aufstellung unserer Agenten in Xuanwu.«
    Normalerweise würde eine solche Aufgabe mehrere Wo chen beanspruchen, wenn sie überhaupt in Angriff ge nommen werden würde, aber man hatte Benton zuvor unmissverständlich klargemacht, dass Haverfords Weisungen unverzüglich auszuführen seien. Die verlangten Fotos und der Grundriss wurden bereits fünfzehn Minuten später telegrafiert, und nach einer Stunde war Benton erneut am Telefon.
    »Wen haben wir in Xuanwu?«, fragte Haverford.
    »Sie haben Glück. Der Tempel der Grünen Wahrheit ist nur ein Stück weiter die Straße runter.«
    »Und was bitte ist der Tempel der Grünen Wahrheit?«, fragte Haverford, während er das Gebäude auf der Karte suchte und fand.
    »Die älteste Moschee in Peking«, antwortete Benton.
    Ein Foto des Tempels erschien vor Haverfords Augen. Das Gebäude sah aus wie ein ganz normaler alter chinesischer Tempel – buddhistisch oder taoistisch – mit blauroten Säulen und einem schräg abfallenden Dach. Doch dann fiel Haverford auf, dass die Dachziegel nicht wie sonst blau, sondern grün waren. »Den haben die Kommies stehen lassen?«
    »Hatten keine Wahl – er befindet sich

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