Satori - Winslow, D: Satori - Satori
hätten.«
Yu legte seine Essstäbchen ab. »Kapitalisten gehen immer davon aus, dass einzig und allein Geld als Motivation dient.«
»Kommunisten denken da ganz anders«, antwortete Nikolai. »Deshalb auch das Bankkonto in Lausanne. Wie kommen Sie darauf, dass ich Kapitalist bin?«
»Kommunist sind Sie sicher nicht.«
»Ich bin Guibertist«, erwiderte Nikolai.
Yu schmunzelte. »Zwei Drittel, ein Drittel.«
»Abgemacht.«
Nikolai nahm seine Essstäbchen wieder auf und aß weiter.
34
» I st der Handel perfekt?«, fragte Peng.
»Ja«, antwortete Yu.
»Gut«, sagte Peng. »Spielt er immer noch den Franzosen, diesen Guibert?«
»Er spielt ihn sehr gut, das muss man ihm lassen.«
Peng lachte.
35
D iamond nahm den Hörer ab. »Ja?«
»Ich bin’s«, sagte die Stimme. »Benton. Haverford hat mich gebeten, Sie auf den aktuellen Stand zu bringen.«
»Ich höre«, sagte Diamond.
Er schmunzelte leise in sich hinein.
Benton mochte seinen Job – konnte von Glück sagen, dass er ihn hatte – und wollte ihn so lange wie möglich behalten.
36
» S ie sind ein …« Chen suchte nach einem chinesischen Begriff, schwenkte dann aber doch auf Französisch um. »… gourmet .«
Nikolai zuckte mit den Schultern. »Ich bin Franzose.«
Als er von dem Treffen mit Yu zurückgekehrt war, hatte ihm eine hübsche Empfangsdame im Hotel seinen Schlüssel überreicht und gefragt, ob er eine Restaurantempfehlung für den Abend wünsche.
»Ja bitte«, sagte Nikolai.
»Vielleicht würde Ihnen das Hong Binlou zusagen?«, erwiderte sie.
Chen war durchaus erfreut, dass Guibert das vornehme alte Etablissement besuchen und die typisch muslimische Küche probieren wollte. Zu den Vorrechten eines Begleiters ausländischer Besucher gehörte auch das Speisen in Restaurants, die er sich sonst nicht leisten konnte. Und selbst wenn er das Geld dafür gehabt hätte, so hätte er sich durch den Besuch so feiner Lokale den Vorwurf der Dekadenz eingehandelt.
Natürlich gab es kein Schweinefleisch, doch das wurde durch das saftige Lamm auf Holzspießen, den mongolischen Eintopf und ganz besonders den gedünsteten Aal mehr als wettgemacht.
Die Kellner, allesamt Hui-Chinesen, die bereits vor Generationen aus den westlichen Provinzen zugewandert waren, trugen kurze weiße Jacketts, schwarze Hosen und – da sie Muslime waren – auch weiße Gebetskappen. Die wenigen Frauen, meist Angehörige der Besitzer, waren verschleiert oder trugen Kopftücher.
»Religiöser Irrglaube«, fühlte sich Chen, seinerseits politisch orthodox, verpflichtet anzumerken. »Ich nehme an, sie sind Katholik?«
»Von Geburt an«, erwiderte Nikolai.
Während des Essens entschuldigte Nikolai sich und ging zur Toilette. Der Kellner warf ihm einen äußerst flüchtigen Blick zu, als er nicht weit von der Küche entfernt an ihm vorbei durch den schmalen Gang zu den Sanitärräumen ging.
Er schloss die Tür hinter sich ab, erleichterte sich, um eventuelle Lauscher nicht zu enttäuschen, und drehte den Hahn auf, um sich die Hände zu waschen und die Geräusche zu übertönen, die entstanden, als er den Deckel des Spülkastens hob. Die auf einem Zigarettenpapier notierte Nachricht klebte an einem Kaugummi auf der Innenseite des Kastens.
Nikolai übersetzte den Code, prägte sich die Botschaft ein, zerriss das Papier in viele kleine Fetzen, warf sie in die Toilette und betätigte die Spülung.
»Fühlen Sie sich nicht wohl?«, fragte Chen, als er an den Tisch zurückkehrte.
»Hervorragend«, entgegnete Nikolai. »Wieso?«
»Ich hatte schon Sorge, der Aal habe Ihnen den Magen verdorben«, meinte Chen.
»In meinem Teil Frankreichs ist das ein beliebtes Gericht«, sagte Nikolai.
»Ach.«
Der Kellner war ein gut aussehender junger Mann mit hohen Wangenknochen und auffallend blauen Augen. Seine Hand zitterte leicht, als er Nikolai die Rechnung überreichte. »War alles so, wie Sie es sich erhofft hatten, Genosse?«
»Ich habe alles bekommen, was man mir versprochen hat«, sagte Nikolai, froh, dass Chen noch damit zu tun hatte, den letzten Rest der roten Sauce mit einer gedämpften Teigtasche aufzunehmen, so dass er die Unruhe des Kellners nicht bemerkte.
»Das freut mich sehr. Ich werde es dem Koch ausrichten.«
»Ja, bitte tun Sie das.«
Wagen und Fahrer warteten draußen.
»Wollen wir nicht zu Fuß gehen?«, schlug Nikolai vor.
»Es ist sehr kalt.«
»Wir sind ausgezeichnet gewappnet«, sagte Nikolai und klopfte sich auf den Bauch. »Innen wie
Weitere Kostenlose Bücher