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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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unglaublich grün – wo auch immer er hier sein mochte.
    Vielleicht bin ich tot, überlegte Nikolai ruhig. Vielleicht ist das hier das chin t’u , das von Amitabha versprochen wurde. Aber das »reine Land« war nicht für Mörder, und er war einer, denn er hatte Juri Woroschenin mit einem einzigen Schlag getötet.
    Zunächst dachte er, das alles könnte Teil seines morphiumgeschwängerten Traums sein – irre, verzerrte Bilder von Solange, Haverford, shengs und dans , scharfen Drähten und schwarz gekleideten Männern. Aber dann wurde ihm klar, dass die Erinnerung an Woroschenins Mord genau das war – eine Erinnerung an ein wahres Ereignis. Und obwohl die Amerikaner ihn verraten hatten, empfand er Zufriedenheit über den erledigten Auftrag.
    Nikolai machte nicht nur den Amerikanern Vorwürfe, sondern auch sich selbst.
    Ich hätte es früher sehen müssen, dachte er auf seinem Krankenbett, das er jetzt als Hängematte erkannte. Ich hätte wissen müssen, dass Haverford seinen Teil des Deals niemals einhalten würde.
    Selbst diese wenigen Überlegungen strengten ihn mental sehr an, und er sank tiefer in seine Hängematte. Erst jetzt bemerkte er, dass seine Kleidung schweißnass war. Sein Bein tat weh und sein Körper schmerzte noch von den Schlägen, die er im Tempel der Grünen Wahrheit hatte einstecken müssen.
    Dann hörte Nikolai Schritte und spürte die Hand eines Mannes auf seiner Stirn. Sie blieb dort einen Augenblick liegen, und er vernahm eine Stimme, die er als die des Mönchs erkannte: »Das Fieber geht zurück. Gut. Eine Zeit lang dachten wir, wir würden Sie doch noch verlieren.«
    »Dann lebe ich also.«
    »Was ein Wunder ist«, erwiderte der Mönch. »Nach allem, was recht ist, sollten Sie sich im bardo befinden und Ihre Wiedergeburt erwarten.«
    »Vielleicht tue ich das auch.«
    »Vielleicht tun wir das alle«, sagte der Mönch. »Wer weiß das schon? Mein Name ist Xue Xin.«
    »Michel Guibert.«
    »Wie Sie wünschen«, sagte Xue Xin mit einer Spur von Belustigung in der Stimme.
    »Wir müssen Sie jetzt wieder umdrehen und Ihre Kleidung wechseln. Es wird wehtun.«
    Zwei Hände packten ihn mit festem Griff an der Schulter, und dann wurde er wieder auf den Rücken gedreht. Heftiger Schmerz durchzuckte ihn von seinem Bein bis zur Haarwurzel, und er verbiss sich ein gequältes Stöhnen.
    Xue Xin sah ihn an, und Nikolai erkannte den Mann von der Brücke auf der Jadeinsel, aus der Gasse draußen vor der Oper und dem Tempel der Grünen Wahrheit wieder. Sein kurzgeschorenes Haar war pechschwarz, aber am auffälligsten waren seine Augen – sie schienen förmlich durch ihn hindurchzublicken, wenngleich keineswegs unfreundlich.
    Falls Xue Xin vor Mitgefühl zerfloss, so sah man es ihm nicht an. »Sie werden Tee trinken.«
    »Nein, danke.«
    »Sie werden Tee trinken«, sagte Xue Xin.
    Der »Tee«, fand Nikolai, schmeckte wie feuchtes Gras, aber Xue Xin erklärte beharrlich, der Kräuteraufguss heile die Infektion.
    »Wenn Sie leben wollen, trinken Sie«, erwiderte Xue Xin schulterzuckend. »Wenn nicht, dann nicht.«
    Nikolai trank.
    Oberst Yu war froh, dass der amerikanische Agent auf dem Weg der Besserung war.
    Zunächst hatten sie geglaubt, er würde sterben. Er hatte einige Schläge einstecken müssen und durch die Schusswunde viel Blut verloren. Ein Mann mit weniger ki wäre schon allein an den inneren Verletzungen infolge der bajiquan - Schläge gestorben, und zu allem Überfluss hatte sich das Bein auch noch entzündet.
    Auch hatte niemand die Zeit gehabt, ihn angemessen medizinisch zu versorgen. Sie hatten den Amerikaner aus Peking hinausschaffen müssen, und zwar schnell. Yus eigene Leute von der Volksbefreiungsarmee trugen ihn zu dem wartenden Armeelaster, der schnell zur Ringstraße hinausfuhr, wo sie den bewusstlosen Mann einem Militärkonvoi auf dem Weg in den Süden übergaben. Ein Armeearzt schnitt ihm auf dem fahrenden Laster die Kugel aus dem Bein. Dann gelang es ihnen, eine Bluttransfusion zu legen und ihm Morphium gegen die Schmerzen zu verabreichen.
    Es wäre einfacher gewesen, ihn sterben zu lassen, dachte Yu – den Leichnam zu entsorgen und schlicht mit den Schultern zu zucken, wenn die Verantwortlichen in Peking rätselten, was geschehen war.
    Die Regierung war, gelinde gesagt, verunsichert.
    Der russische Oberbevollmächtigte Woroschenin war tot – offiziell an einem Herzinfarkt gestorben, den er während eines Opernbesuchs erlitten hatte, doch beim Geheimdienst und beim

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