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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Scheinwerfer – und stimmte ihre Arie an.
    Es war wunderschön.
    Ihre Stimme war eine Offenbarung, eine perfekte Vermählung von Form und Emotion. Als sie ihrem höchsten Ton entgegenstrebte, sah Nikolai Woroschenins rechte Hand langsam auf Hüfthöhe in seiner Jacke verschwinden.
    Messer oder Pistole?, fragte sich Nikolai.
    Pistole, entschied er.
    Aber worauf wartet er?
    Auf dasselbe wie du – Dunkelheit und Lärm. Wenn er den Höhepunkt abwartet, kann er dich erschießen und deinen Leichnam hier rausschaffen lassen, bevor es jemand mitbekommt und der Vorfall öffentlich wird. Sehr schlau von ihm, sehr diszipliniert.
    Die Musik schwoll an.
    Nikolai beugte sich zu Woroschenin.
    »Ich möchte Ihnen Grüße bestellen«, sagte er und flüsterte Woroschenin ins Ohr, »von der Gräfin Alexandra Iwanowna. Meiner Mutter.«
    Er spürte, wie Woroschenins ganzer Körper sich anspannte, seine Hand sich an die Pistole schob.
    »Nikolai Hel.«
    »Ich werde Sie gleich töten«, sagte Nikolai, »und es gibt nichts, was Sie dagegen tun können.«
    Xun Huisheng trällerte:
    Ich habe die Liebenden zueinander gebracht
Obwohl ich böse Worte und Schläge litt
Der Mond steigt silbrig leuchtend empor
Ich bin die glückliche Rote Magd.
    Die Trommeln dröhnten.
    Die Gongs hallten.
    Im Theater wurde es dunkel.
    Woroschenin griff nach der Pistole.
    Nikolai packte seine Hand, atmete tief ein und entließ all sein verbliebenes ki in einem einzigen Schlag mit der Leopardenpfote auf Woroschenins Brust.
    Er hörte den Russen aufstöhnen.
    Dann sackte Woroschenin auf seinem Sitz zusammen, sein Mund zum Oval erstarrt.
    Der Wächter machte einen Schritt auf ihn zu.
    »Zu viel Wodka«, sagte Nikolai im Aufstehen. Unten im Parkett spendete das Publikum frenetischen Applaus.
    Nikolai verließ die Loge.
    »Ihrem Chef geht’s nicht gut«, sagte Nikolai.
    Die beiden Leibwächter stürmten in die Loge.
    Nikolai gab seinem Gedächtnis das Kommando und ließ sich den eingeprägten Fluchtweg entlangführen. Die Treppe runter, dann rechts. Weiter zum Bühneneingang, wo ein alter Mann auf einem Hocker saß.
    »Da dürfen Sie nicht rein«, sagte der alte Mann.
    »Tut mir leid, liao «, sagte Nikolai, schwang seinen rechten Arm in einem trägen Bogen und traf ihn so sanft wie möglich seitlich am Hals. Er fing den alten Mann auf und ließ ihn sachte zu Boden gleiten, dann öffnete er die Tür, fand links eine weitere und trat hinaus.
    Erst als er die Gasse hinunterlief, spürte er etwas Warmes an seinem linken Bein, dann einen stechenden Schmerz, und begriff, dass sich aus Woroschenins Pistole ein Schuss gelöst und ihn getroffen haben musste.
    Da sah er den Mönch am Ende der Gasse.
    »Satori« , sagte Nikolai.
    »Ja?«
    »Ja.« Der Mönch humpelte in die eine Richtung davon, Nikolai in die andere.
    Er sah es jetzt deutlich vor sich.
    Was im Tempel der Grünen Wahrheit geschehen würde.
    Satori .
    Der Weg aus der Falle.

82
    » S ignal.«
    »Was?«, fragte Haverford. Er machte seine dreizehnte Zigarette an diesem Abend aus und rollte mitsamt Stuhl zu dem jungen Agenten am Funkgerät.
    »Go-Spieler nähert sich der Eins.«
    »Leck mich am Arsch!«, sagte Haverford, halb erstaunt und halb bewundernd.
    Dieser verfluchte Nikolai Hel.

83
    Das Blut gerann auf seiner Haut, bildete eine Art schützenden Verband.
    Doch er hielt nicht, als Nikolai mit schnellen Schritten durch die hutongs von Xuanwu lief. Sein Herz schlug heftig, pumpte Blut ins Bein und ließ den Schorf wieder rissig werden. Die Kälte aber verzögerte den Blutverlust und linderte den Schmerz.
    Nikolai dachte nicht an sein Bein.
    In Gedanken legte er sich die Straßenkarte des Bezirks zurecht, erinnerte sich an Haverfords Anweisungen und bewegte sich rasch an den wenigen Menschen vorbei, die an diesem Winterabend auf der Straße unterwegs waren. Einige beobachteten ihn, andere vergruben die Gesichter in Schals und kümmerten sich nicht um diesen groß gewachsenen kweilo , der an ihnen vorbeieilte. Niemandem fiel auf, dass er das Tonband ins Feuer einer Aschetonne warf.
    Polizeisirenen heulten auf dem Weg zum Zheng Yici Opernhaus.
    Man hatte Woroschenins Leiche entdeckt.
    Nikolai rief sich das Go-Brett vor Augen und überdachte die neue Situation. Kangs Steine waren weg, die von Woroschenin einbehalten. Aber man hatte seine Leiche gefunden, und schon bald würde die chinesische Volkspolizei herausfinden – wenn sie es nicht schon getan hatte –, dass auch ihr Meister Kang tot war.
    Ermordet,

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