Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)
gewachsen.
Francisco spricht
Ha, ich will nicht gerade behaupten, dass es mir unangenehm ist, wenn ein hübsches Mädchen mir aufmerksam zuhört und über meine Scherze lacht. Und Gumersinda hatte die Wahl zwischen einem jungen Mann – stattlich, muss ich hinzufügen, denn damals war er noch nicht so dick und sah so ähnlich aus wie ich in jungen Jahren – und dem Schwiegervater: einem alten Knochen, taub, abgearbeitet, der die Majo -Kleider schon lange abgelegt und keinen Spaß mehr daran hatte, bis morgens in der Stadt zu saufen; aber er hatte das gewisse Etwas, das bewirkt, dass den Frauen der Saft die Beine runterläuft. Das muss ich zugeben; ich wusste, dass ich ihr gefalle, obwohl das alles natürlich völlig unschuldig war, ich hätte nie gewagt, gegen die göttlichen Gesetze zu verstoßen, nur um an jemandem herumzufummeln.
Es war einfach eine menschliche Regung, es tat mir leid um dieses junge, siebzehnjährige Mädel, ein Kind fast, das den ganzen Tag in dem großen Haus eingesperrt war, ohne jegliche Ablenkung, mit einem mürrischen Ehemann. »Hör mal«, sagte ich zu ihm, manchmal sogar in ihrer Anwesenheit, um ihn zu beschämen, »wie sieht das denn aus, wenn der Schwiegervater seiner Schwiegertochter mehr Zärtlichkeit entgegenbringt als der Mann seiner Frau?« Und er erwiderte nur ohne Sinn und Verstand: »Eben, wie sieht das denn aus?« und ging eingeschnappt weg. »Das wird noch damit enden«, scherzte ich, »dass dein Erstgeborener dem Opa ähnlicher sieht als dem Vater.« Und wieder war er beleidigt und ging. Ich tat, was ich konnte, um es ihr leichter zu machen. Weil ich ein Herz habe. Aber ich müsste lügen, wollte ich sagen, es hätte mir keine Freude gemacht zu spüren, dass ich sie in einer Viertelstunde hätte herumkriegen können, wenn ich gewollt hätte. Kaum war ich eingetreten, da strahlte sie schon und fragte: »Was soll ich Euch bringen, Vater?« oder »Womit kann ich dienen?« Und schon kommt sie mit einer Schokolade angelaufen oder mit dem aufgewärmten Mittagessen, wenn ich während der Arbeit hungrig geworden bin; und nie ruft sie das Dienstmädchen, immer bringt sie alles selbst. Herzensgut ist sie, ein Schatz, kein Mädchen, und mein Javier so ein Tölpel, schämen muss man sich. Ein Glück im Unglück, dass er ihr schließlich immerhin ein Kind gemacht hat: Ihr Bauch schwoll an, sie wurde launisch, wie das so ist in der Schwangerschaft, und noch hübscher. »Oh«, sage ich, »die alten Frauen in Fuendetodos meinten, wenn die Schwangere hübscher wird, gibt es einen Jungen, wenn sie hässlicher wird, ein Mädchen. Daraus schließe ich, dass du mir einen Enkel, keine Enkelin schenken wirst!« Aber sie lächelt nur schüchtern – ach, ein Goldschatz!
Javier spricht
Seit sie schwanger war, tauchte Vater nicht nur täglich, sondern zweimal am Tag auf – es grenzt an ein Wunder, dass er überhaupt noch Zeit hatte, etwas zu malen. Im Grunde zog er bei uns ein, Mutter ebenfalls. Beide bekamen ein Schlafzimmer, jeder für sich; in einem anderen Zimmer stellte Vater Staffeleien auf, brachte Leinwandrollen mit, Keilrahmen, Gefäße mit Pigmenten und Farben – von nun an sollten wir nie mehr wirklich für uns sein. Und das alles, damit er es sich bei uns gemütlich machen konnte. Er schwänzelte, tänzelte, turtelte – und zeigte mir noch mehr, dass ich ihn nur störte.
Erst damals verstand ich allmählich seine Scherze, dass der Enkel sicher eher dem Großvater als dem Vater nachschlagen werde, seine unerträgliche Sicherheit, seine Selbstgefälligkeit, die Zärtlichkeit, mit der er Gumersinda die Hand auf den Bauch legte. Wie oft war es vorgekommen, dass ich, wenn er uns besuchte, auf der Stelle etwas in der Stadt zu tun hatte, nur rasch den Hut schnappte und um die Ecke verschwand? Sollte er da etwa keine Gelegenheit gehabt haben – begriff ich plötzlich –, an ihr herumzufummeln, seine ganze Überredungskunst anzuwenden, all die Tricks, die er unzählige Male an Modellen und Fürstinnen, an Bürgerlichen und Bauersfrauen ausprobiert hatte? Diese Scherze, diese Blicke, das Knie, das er ihr zwischen die Schenkel schob?
Und plötzlich bahnte sich die schreckliche Wahrheit ihren Weg direkt in mein Herz, wie die Kugel einer Muskete, die durch das Fleisch einer Melone dringt, wie die Schraube eines Eisenstiefels, die sich beim Verhör in den Fuß eines Marrano bohrt. Jetzt sah ich jede Geste von ihm, jeden Blick von ihr anders, jeden Abend quälte ich mich mit dem Gedanken,
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