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Saturn

Saturn

Titel: Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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trübe
    beleuchteten Beobachtungskuppel stand.
    Die Frau lächelte ‒ irgendwie traurig, wie Holly fand.
    »Galilei war der Erste«, sagte sie, »der feststellte, dass es mit
    dem Saturn eine besondere Bewandtnis hatte. Das war 1609,
    1610, so um den Dreh. Sein putziges kleines Teleskop
    vermochte die Ringe nicht aufzulösen; alles, was er zu sehen
    glaubte, waren zwei Sterne, die an beiden Seiten der
    Saturnscheibe hingen. Er hielt sie für zwei große Monde.«
    »Und dann verschwanden sie?«, fragte Holly.
    »Ja, richtig. Er stellte die Beobachtung des Saturns für eine
    Weile ein, und als er damit fortfuhr ‒ so um 1612 ‒, waren die
    Monde nicht mehr da.«
    »Was ist denn mit ihnen passiert?«
    »Sie sind natürlich nicht verschwunden. Sie waren noch
    immer da. Alle fünfzehn Jahre nimmt der Saturn aufgrund
    seiner Neigung nämlich eine Position ein, wo die Ringe einem
    irdischen Beobachter den Rand zukehren. Sie sind so
    verdammt dünn, dass sie scheinbar verschwinden. Dann sind
    sie mit einem schwachen Fernrohr nicht mehr zu sehen. Auch
    nicht mit manchen großen Teleskopen.«
    »Dann schauen wir im Moment also auf ihre Kante«, sagte
    Gaeta.
    »Das stimmt. Der arme Galilei. Er wusste nicht, was da
    vorging. Muss schier verrückt geworden sein.«
    Holly starrte auf die Scheibe des Saturn, als ob sie die Ringe
    wieder herbeizaubern könnte.
    »Man sieht sie aber in den Teleskopen drüben in der
    Astronomie-Kuppel«, sagte die Frau. Sie schien noch etwas
    ergänzen zu wollen, hielt aber inne.
    »Sind Sie Astronomin?«, fragte Holly.
    »Sozusagen. Nadia Wunderly ist mein Name.« Sie streckte
    die Hand aus ‒ Finger gespreizt und Daumen hoch. Holly
    ergriff die Hand und stellte sich und Gaeta vor. Wunderly
    schüttelte auch ihm die Hand; sie hatte einen ernsten
    Ausdruck, als ob die Begegnung mit anderen Menschen ein
    Ritual sei, das korrekt ablaufen musste.
    »Wie ist das zu verstehen, dass Sie ›sozusagen‹ eine
    Astronomin seien?«, fragte Gaeta.
    Wunderlys Gesicht wurde noch verdrießlicher. »Ich gehöre
    zum Team ›Planetenwissenschaften‹«, erläuterte sie, »aber
    dort sind hauptsächlich Astrobiologen zugange. Sie sind alle
    aus dem Häuschen wegen Titan.«
    »Sie nicht?«
    »Nee. Ich interessiere mich für die Saturnringe. Von Haus
    aus bin ich eigentlich Physikerin mit dem Schwerpunkt
    Strömungsdynamik.«
    Nach einer Stunde waren sie alle in Hollys Apartment und
    plünderten die Reste im Kühlschrank. Wunderly erklärte
    ihnen derweil, dass man sich die Saturnringe als eine
    Flüssigkeit vorstellen könne, wobei jeder Eisbrocken in den
    Ringen als ein Teilchen in dieser dynamischen, stetig sich
    verändernden Flüssigkeit wirkte.
    »Also rasen die Eisflocken wie auf einer Rennstrecke um den
    Saturn«, sagte Wunderly und beschrieb einen zittrigen Kreis
    mit dem Sellerie, den sie in der Hand hielt. »Dabei kollidieren
    sie wie die Leute, die sich in der Tokioter U-Bahn
    zusammendrängen.«
    »Die ganze Zeit?«
    »Die ganze Zeit«, erwiderte Wunderly und biss ein Stück
    Sellerie ab.
    Holly stand auf der anderen Seite der Arbeitsplatte, die die
    Küche abteilte und wartete darauf, dass die Mikrowelle ein
    Tiefkühlgericht erhitzte. »Außerdem werden sie von diesen
    kleinen Monden umkreist?«
    »Richtig. Wie Hütehunde. Die Monde verhindern, dass die
    Ringe ausfransen und sich vermischen.«
    Gaeta, der es sich auf dem Sofa im Wohnzimmer gemütlich
    gemacht und eine Schüssel Chips auf den Waschbrettbauch
    gestellt hatte, schien tief in Gedanken versunken.
    »Und dann gibt es da noch die Speichen«, fuhr Wunderly
    fort. »Magnetfelder, die die kleineren Eisflocken in der
    Schwebe halten.« Sie simulierte mit der freien Hand eine
    senkrechte schlangenartige Wellenbewegung.
    »Also knallen sie alle ineinander«, mutmaßte Holly. In dem
    Moment piepte endlich die Mikrowelle.
    »Allerdings sind nicht alle Partikel kleine Flocken. Ein paar
    sind so groß wie Häuser. Und die Monde durchmessen
    natürlich ein paar Kilometer.«
    »Klingt verwirrend«, sagte Holly und trug das Tablett mit
    dem dampfenden heißen Gericht ins Wohnzimmer. Dann
    stellte sie es vor Wunderly auf den Kaffeetisch.
    »Klingt gefährlich«, sagte Gaeta und brachte sich in eine
    aufrechte Position.
    »Es ist nur gefährlich, wenn man die Nase 'reinsteckt«, sagte
    Wunderly. »Deshalb will ich die Ringe auch aus der Ferne
    studieren.«
    »Es ist noch niemand dort gewesen, was?«, fragte er.
    »Bei den Ringen? Wir haben schon

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