Saturn
doch ging sie zum Sofa, setzte sich neben ihn und lehnte
den Kopf an seine starke, muskulöse Schulter. Und nach ein
paar Minuten küssten sie sich, entledigten sich der Kleider. Er
trug sie wie eine Eroberung ins Schlafzimmer, und sie dachte
gar nicht an Malcolm Eberly. Fast nicht.
317 Tage bis zur Ankunft
Wilmot fühlte sich wie ein genervter Schulmeister, der sich
einer Schar unbotmäßiger Schüler gegenübersieht.
»Eine Schlägerei?«, blaffte er sie erzürnt an. »Ihr beide habt
euch wirklich geprügelt?«
Die beiden jungen Männer, die vor seinem Schreibtisch
standen, schauten belämmert. Einer der beiden hatte eine
kleine blauschwarze Schwellung unterm linken Auge. Er hatte
rote Haare und rosige Wangen ‒ ein Ire, vermutete Wilmot.
Der andere war größer und hatte schokoladenbraune Haut;
seine Oberlippe war blutverkrustet. Keiner von beiden sagte
ein Wort.
»Und was war der Grund für diesen Streit?«
Die beiden blieben stumm.
»Nun?«, fragte Wilmot. »Raus damit! Weshalb habt ihr euch
geschlagen?«
»Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit wegen des
Namens für Dorf B«, murmelte der mit dem blauen Auge.
»Eine Meinungsverschiedenheit?«
»Er wollte das Dorf Killarney nennen«, sagte der andere.
»Das ist ein guter Name«, sagte sein Widersacher. »Der da
fand ihn aber doof.«
»Und das hat zu Handgreiflichkeiten geführt? Eine
Meinungsverschiedenheit wegen der Namensgebung für das
Dorf? Was, um Himmels willen, hattet ihr denn intus?«
Alkoholische Getränke wurden in der Cafeteria, wo der
Zwischenfall stattgefunden hatte, zwar nicht verkauft, doch
die zwei Restaurants des Habitats schenkten Schnaps, Wein
und ein selbst gebrautes Bier aus, das von einer der Farmen
geliefert wurde.
»Es ist meine Schuld«, sagte der mit der blutigen Nase. »Ich
hatte mir im Nemo einen Drink genehmigt, bevor ich in die
Cafeteria gegangen bin.«
Wilmot schaute sie beide grimmig an. »Muss ich denn ein
totales Alkoholverbot verhängen? Wollt ihr, dass ich das tue?«
Die beiden schüttelten den Kopf. Wilmot studierte ihren
zerknirschten Gesichtsausdruck. Wenigstens zeigen sie die
gebührende Reue, sagte er sich. Ein Logistikanalytiker und ein
Kommunikationstechniker, die sich wie Schuljungen kloppten.
Mit dem finstersten Blick, den er aufzusetzen vermochte,
sagte Wilmot: »Noch ein derartiges Vorkommnis, und ich
werde eure persönlichen Alkoholprivilegien streichen. Und
euch zur Wiederaufbereitungsanlage strafversetzen.«
Der mit dem blauen Auge drehte sich etwas zum anderen
um und reichte ihm die Hand. »Es tut mir Leid, Kumpel.«
Sein ehemaliger Gegner ergriff die Hand und drückte sie
kräftig. »Ja. Mir auch.«
»Verschwindet von hier, ihr beiden«, knurrte Wilmot. »Und
benehmt euch nie wieder so idiotisch.«
Der Kommunikationstechniker eilte von Wilmots Büro zu
seinem Quartier, wo er sich mit einem feuchten Waschlappen
das eingetrocknete Blut von der Lippe wischte. Dann rief er
Oberst Kananga an.
»Ich habe in der Cafeteria eine Schlägerei angefangen«, sagte
er zu Kanangas Abbildung auf dem Telefonmonitor.
»Ich habe über meine Kanäle schon davon erfahren«, sagte
der Ruander. »Was hat Wilmot deswegen zu Ihnen gesagt?«
»Nicht viel. Er wirkte eher verwirrt als zornig.«
Kananga nickte.
»Was soll ich als Nächstes tun?«
»Im Moment gar nichts. Versehen Sie nur Ihre Pflicht und
verhalten sich so, als ob nichts passiert wäre. Ich werde Ihnen
schon Bescheid sagen, wenn es so weit ist.«
»Yessir.«
Bei einer Population, die Menschen vieler Glaubensrichtungen
umfasste, gab es im Habitat keinen ›Sonntag‹. Deshalb wurde
der Tag, an dem die Abstimmung der Phase Eins der
Namensgebungs-Wettbewerbe stattfinden sollte, als
allgemeiner Feiertag ausgerufen.
Malcolm Eberly saß im Wohnzimmer und verfolgte mit
säuerlicher Miene die Nachrichtensendung auf dem
Hologrammprojektor. Das Bild zeigte das Wahllokal in Dorf
A. Leute betraten die Räumlichkeiten, gaben ihre Stimme ab
und gingen wieder. Es war in etwa so spannend, wie Gras
beim Wachsen zuzuschauen.
Ruth Morgenthau versuchte ihn aufzuheitern. »Die
Wahlbeteiligung ist höher, als mein Stab prognostiziert hat. Es
sieht so aus, als ob mindestens vierzig Prozent der
Bevölkerung zur Wahl ginge.«
»Begeisterung ist den Leuten aber nicht anzumerken«,
knurrte Eberly.
Sammi Vyborg, der an der anderen Seite des Kaffeetischs
saß, hob die knochigen Schultern. »In dieser Phase haben
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