Saturn
wir
auch noch keine Begeisterung erwartet. Sie entscheiden
schließlich erst über die Kategorien der Namen und noch nicht
über die Namen selbst.«
Eberly schaute ihn missbilligend an. »Ich will, dass die Leute
in Wallung geraten. Ich will, dass sie sich streiten, dass sie
aufeinander losgehen. Ich will, dass Wilmots Autorität in
Frage gestellt wird.«
»Das wird schon noch kommen«, versicherte Kananga. Er
hatte sich auf dem Sofa zurückgelehnt und die langen Arme
auf der Lehne ausgestreckt. »Wir testen verschiedene
Ansätze.«
Der Anflug eines Stirnrunzelns erschien bei Eberly. »Ich
hörte von der Schlägerei in der Cafeteria.«
»Vorm nächsten Wahltag können wir auch einen Aufstand
inszenieren, wenn Sie wollen.«
»Das ist nicht gerade die Art von Begeisterung, die wir
brauchen«, sagte Eberly.
»Ein Aufstand wäre gut«, sagte Vyborg. »Dann könnten wir
nämlich eingreifen und ihn niederschlagen.«
»Und Sie könnten sich als der Mann profilieren, der dem
Habitat Ruhe und Ordnung beschert hat«, sagte Morgenthau
und lächelte Eberly an.
»Vielleicht«, sagte er fast sehnsüchtig. »Ich wünschte nur…«
»Sie wünschten, alle würden Ihnen zuhören und zu Füßen
liegen«, unterbrach Morgenthau ihn.
»Wenn ich ihr Anführer sein soll, ist es wichtig, dass sie mir
vertrauen und mich mögen.«
»Sie werden Sie lieben«, sagte Vyborg mit vor Sarkasmus
triefender Stimme, »wenn Sie erst einmal die Macht haben,
über Leben und Tod zu entscheiden.«
Am Ende des Wahltags saß Holly am Schreibtisch und zählte
die abgegebenen Stimmen aus. Die Wähler hatten sich dafür
entschieden, die Dörfer nach Städten auf der Erde zu
benennen. Alleinstehende Gebäude würden nach berühmten
Persönlichkeiten benannt. Die Farmen, Gartenanlagen und
andere offene Flächen sollten nach irdischen Naturwundern
oder Gestalten aus der Mythologie benannt werden: Diese
Wahl war so knapp ausgegangen, dass man keinen
eindeutigen Sieger zu ermitteln vermochte.
Das Telefon meldete einen Anruf von Morgenthau, und
Holly wies den Computer an, den Anruf entgegenzunehmen.
Morgenthaus Gesicht tauchte neben den Statistiken auf.
»Haben Sie die Ergebnisse?«
»Ja, alles ausgezählt«, sagte Holly mit einem Kopfnicken.
»Dann senden Sie mir die Zahlen.«
Holly warf einen Blick auf die Datenleiste des Telefons unter
dem Bild des Anrufers und sah, dass Morgenthau von Eberlys
Apartment aus anrief. Sie ärgerte sich darüber, dass
Morgenthau bei Malcolm war und dass er sie nicht auch
eingeladen hatte. Dann muss ich mich eben selbst einladen,
sagte sie sich.
»Ich muss sie zuerst an Professor Wilmot schicken«, sagte
sie. »Das ist der Dienstweg.«
»Schicken Sie sie auch gleich zu mir«, sagte Morgenthau.
»Wenn ich das tue«, erwiderte Holly, »wird mein Verstoß
gegen den Dienstweg elektronisch registriert. Aber ich könnte
Ihnen persönlich ein Exemplar vorbeibringen«, fuhr Holly fort,
ehe Morgenthau die Stirn zu runzeln vermochte.
Zuerst erschien ein wissender Ausdruck in Morgenthaus
teigigem Gesicht, und dann erschien ihr Grübchenlächeln:
»Sehr gut, Holly. Das ist eine gute Idee. Bringen Sie mir die
Ergebnisse. Ich bin in Dr. Eberlys Quartier.«
»Ich werde sofort da sein«, sagte Holly.
Holly hatte Eberlys Apartment kaum betreten, als sie auch
schon die Spannung spürte, die in der Luft lag; der Raum war
mit Emotionen schier geladen. Morgenthau, Vyborg und
Kananga waren da: Holly bezeichnete sie insgeheim als das
Nilpferd, die Schlange und den Panther, aber diese tierischen
Attribute waren mitnichten humorvoll gemeint. Vor allem
Kananga machte sie nervös mit seinem Blick ‒ wie eine
Raubkatze, die ihre Beute verfolgte.
Eberly war nirgends zu sehen, doch bevor Holly sich noch
nach ihm zu erkundigen vermochte, betrat er den Raum und
lächelte sie an. Die Spannung, die sie spürte, löste sich auf wie
ein Morgennebel im warmen Sonnenlicht.
»Holly«, sagte er und kam mit ausgestreckten Armen auf sie
zu. »Es ist schon eine halbe Ewigkeit her, seit wir uns das
letzte Mal gesehen haben.«
»Mal …«, hob sie an und korrigierte sich dann. »Dr. Eberly.
Ich freue mich, Sie wieder zu sehen.«
»Holly hat uns die Wahlergebnisse gebracht«, sagte
Morgenthau.
»Schön«, erwiderte Eberly. »Das haben Sie gut gemacht,
Holly.«
Holly zog den Palmtop aus der Tasche ihres Gewands und
projizierte die Auszählungsergebnisse auf eine der kahlen
Wände des Wohnzimmers.
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