Saturn
werde sie anrufen«, sagte Holly. »Vielleicht hat sie es
nur vergessen.«
Es wurde gerade der Nachtisch serviert, als Eberly einen
Vorschlag machte. »Vielleicht vermag ich Ihnen wegen Dr.
LJrbain zu helfen. Ich habe direkten Zugang zu Professor
Wilmot und kann mich bei ihm dafür einsetzen, dass Sie die
Titanoberfläche betreten dürfen.«
Er wandte sich Cardenas zu. »Und dafür, dass ein paar der
Beschränkungen für Ihr Nanotech-Labor aufgehoben werden.«
»Es sind aber gar nicht mal die Beschränkungen«, sagte Kris
ernst. »Damit kann ich leben. Ich weiß, wovor die Menschen
Angst haben und muss ihnen bis zu einem gewissen Punkt
sogar Recht geben.«
»Wo liegt dann Ihr Problem?«, fragte Eberly.
»Schlicht und einfach Arbeitskräfte«, sagte Cardenas. »Ich
bin ganz allein im Labor. Ich habe schon versucht, Assistenten
anzuwerben, aber keiner von den jüngeren Wissenschaftlern
will irgendwie mit Nanotechnik in Berührung kommen.«
»Hat die Abteilung Human Resources Ihnen denn nicht zu
helfen vermocht?«, fragte Eberly mit einem Seitenblick auf
Holly.
Cardenas schien dieser Gedanke zu verwundern. »Ich habe
Urbain gefragt«, sagte sie. »Was ich brauche, sind zwei
Laborassistenten. Junge Leute mit einer wissenschaftlichen
Grundausbildung. Aber die Wissenschaftler sind förmlich
geflohen, als ich sie um Hilfe bat.«
»Ich verstehe«, murmelte Eberly.
»Damals auf der Erde«, sagte Cardenas lächelnd, »in der
Steinzeit, haben die Professoren Hochschulabsolventen in die
Labors gestellt. Sklavenarbeit ‒ billig und reichlich zu haben.«
Eberly legte die Finger aufeinander. »Leider haben wir nicht
viele Hochschulabsolventen unter uns und noch weniger
Studenten. Zumal jeder einen Arbeitsauftrag hat; das war eine
der Voraussetzungen, um überhaupt ins Habitat
aufgenommen zu werden.«
»Wir haben keine unbeschäftigten Studenten«, sagte Holly.
»Das war mir von vornherein klar«, sagte Cardenas. »Aber
ich hoffte, es würde mir wenigstens gelingen, ein paar jüngere
Leute von Urbains Stab zu bewegen, mir zur Hand zu gehen.«
»Das würde er nicht zulassen«, mutmaßte Eberly.
Cardenas' Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Er lässt mich
nicht mehr mit ihnen sprechen. Und er hat sie so unter Druck
gesetzt, dass sie sogar meine Gesellschaft meiden. Ich bin
geächtet.«
Eberly wandte sich an Holly und legte ihr die Hand aufs
Handgelenk. »Holly, wir müssen in dieser Angelegenheit
etwas tun.«
»Wenn Sie das für richtig halten, Malcolm«, sagte sie nach
einem kurzen Blick auf Gaeta.
»Das halte ich für richtig«, sagte er, wieder an Cardenas
gewandt.
Damit war das Essen beendet, und die vier traten hinaus ins
nächtliche Zwielicht. Holly schlug das Herz bis zum Hals. Was
geschieht nun?
»Holly, wieso gehen wir nicht in Ihr Büro und schauen, was
wir tun können, um Dr. Cardenas zu helfen?«, sagte Eberly.
Sie nickte. »Wenn ich weiß, welche Qualifikationsprofile Sie
brauchen, Kris, könnte ich Ihnen eine Liste möglicher
Kandidaten zusammenstellen.«
»Ich schicke Ihnen die Anforderungen, sobald ich zu Hause
bin«, sagte Cardenas.
»Ich begleite Sie nach Hause, Kris«, sagte Gaeta. »Es liegt auf
meinem Weg.«
Holly stand wie erstarrt da, als Gaeta und Cardenas sich
verabschiedeten und den Pfad entlanggingen, der zu ihren
Unterkünften führte.
Eberly musste sie an der Schulter berühren, um sie aus der
Starre zu lösen.
»Wir haben zu arbeiten, Holly«, sagte er.
Aber sie schaute unverwandt Cardenas und Gaeta nach, die
Seite an Seite den trübe beleuchteten Weg entlanggingen.
Cardenas drehte sich um und schaute über die Schulter auf
Holly, so als ob sie sagen wollte: Keine Sorge, es wird schon
nichts passieren. Jedenfalls hoffte Holly, dass sie das
ausdrücken wollte.
Sie ist doch meine Freundin, sagte Holly sich. Sie weiß, dass
Manny und ich zusammen sind. Sie würde nie etwas mit ihm
anfangen. Es war schließlich seine Idee, sie nach Hause zu
begleiten. Sie wird keine Annäherungsversuche von ihm
zulassen.
Trotzdem musste Eberly sie erneut auffordern: »Holly,
kommen Sie. Wir haben zu arbeiten.«
Der zweite Wahlgang
Eberly hielt sich zugute, nie ein zweites Mal den gleichen
Fehler zu machen. Die erste öffentliche Ansprache, die er
gehalten hatte, war ganz passabel gewesen, in den Augen von
Morgenthau und Vyborg jedoch ein völliger Fehlschlag. Es
hatten sich nicht sehr viele Zuhörer in der Cafeteria
eingefunden, und
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