Saturn
zunehmende Chaos zu Gewalt,
vielleicht sogar zu Mord und Totschlag führen würde.
Dennoch widerstand er dem Drang, einzugreifen oder die
Leute mit neuen Bestimmungen und Verordnungen zu
knebeln. Lass das Experiment weiterlaufen, sagte er sich. Lass
sie ihre kleinen Spiele spielen. Das Endergebnis wird mehr
zählen als ein paar Menschenleben; letztlich könnte es sogar
wichtiger sein als der Erfolg oder Misserfolg der Mission
selbst.
»Sie müssen irgendetwas tun, Malcolm!«, drängte Holly
Eberly schließlich. »Sie sind der Einzige, der eine Vision hat,
wie man alle wieder zusammenbringt.«
Er ließ es geschehen, dass Morgenthau Hollys zunehmend
dringlichere Bitten durch ähnliche Vorschläge ihrerseits
ergänzte. Schließlich sagte er ihnen, sie sollten eine
Veranstaltung organisieren.
»Ich werde zu ihnen sprechen und mein Bestes versuchen«,
sagte er.
Holly arbeitete täglich sechzehn bis achtzehn Stunden, um
eine Veranstaltung zu organisieren, die wirklich jeden im
Habitat mobilisieren würde. Sie sollte im weitläufigen Park am
See außerhalb des Dorfs A stattfinden. Sie sorgte dafür, dass
die Cafeteria und beide Restaurants an jenem Tag um 18:00
Uhr schlossen; niemand würde etwas zu essen bekommen, bis
Eberly seine Rede gehalten hatte.
Auf Morgenthaus Anregung hin organisierte Holly Paraden.
Die Fan-Clubs waren gern bereit, mit Wimpeln in den Farben
der jeweiligen Clubs einen Aufmarsch im Park zu
veranstalten. Die Musiker stellten Bands zusammen und
waren sogar damit einverstanden, ein Konzert zu geben,
anstatt sich in einer Kakophonie zu überbieten. Die Farmer
formierten sich auch zu einer Marschkolonne, der es jedoch
völlig an Disziplin fehlte. Die anderen Arbeiter formierten sich
ebenfalls nach Zünften.
Als die Musik dann spielte und die Leute marschierten,
erschienen trotzdem nur ein paar Tausend Zuschauer. Der
Großteil der Bevölkerung blieb zu Hause. Holly tröstete sich
mit dem Gedanken, dass sie die Veranstaltung im Fernsehen
anschauten. Hoffte sie zumindest.
Dennoch bildeten ungefähr dreitausend Leute auch ein
beachtliches Publikum. Eberly schaute froh, als sie sich vor der
Orchestermuschel versammelten, auf deren Bühne er stand. Er
verfolgte ihren Einmarsch und lächelte in die Runde.
Morgenthau schien auch erfreut. Holly hörte, wie sie Eberly
etwas ins Ohr sagte: »Diese Minderheit ist groß genug, um uns
die Macht zu verschaffen, die wir brauchen, Malcolm.
Diejenigen, die zu Hause geblieben sind, werden von der Flut
fortgerissen, wenn die Zeit kommt.«
Es herrschte eine Atmosphäre wie bei einem altmodischen
Picknick. Musik spielte. Leute marschierten ein und traten
dann vor der Bühne der Orchestermuschel an, die sich an
einem Ende des Parks befand.
Manuel Gaeta war der erste Sprecher. Morgenthau stellte ihn
vor, und er erklomm unter dem Jubel und den Pfiffen der
Menge langsam die Stufen zur Bühne.
Er sorgte mit einer Geste für Ruhe und schaute grinsend auf
ein Meer erwartungsvoller Gesichter. »Ich bin kein begnadeter
Redner«, hob er an. »Ich habe in meinem Leben schon viele
Fährnisse gemeistert, aber ich glaube, dieser Auftritt ist die
schwierigste Prüfung.«
Das trug ihm einen Lacherfolg ein.
»Im Grunde habe ich auch nicht viel zu sagen. Ich hoffe, dass
es mir gelingt, auf die Oberfläche des Titan hinabzusteigen,
und wenn ich das tue, mochte ich die Mission euch widmen,
den Bewohnern dieses Habitats.«
Die Leute grölten beifällig. Holly saß neben Eberly an einer
Seite der Bühne. Sie ließ den Blick über die Menge schweifen
und hielt Ausschau nach den Gesichtern ihr bekannter
Wissenschaftler. Sie machte nur ein paar aus. Weder Dr.
Urbain noch Professor Wilmot befanden sich in der Menge.
»Meine eigentliche Aufgabe«,, fuhr Gaeta fort, »besteht
darin, die Hauptperson des heutigen Abends vorzustellen. Ich
glaube, ihr alle kennt ihn. Malcolm Eberly ist der Leiter der
Abteilung Human Resources und der Einzige in der
Führungsriege des Habitats, der bereit ist, mir zu helfen. Und
ich glaube auch, dass er uns allen helfen kann.«
Gaeta drehte sich um und wies auf Eberly, der sich wie
choreographiert vom Stuhl erhob und zum Podium ging. Der
Beifall der Menge war spärlich.
»Danke, Manny«, sagte Eberly, beide Hände fest am
Rednerpult. Er ließ den Blick über die Menge schweifen und
sagte: »Und ich danke euch, jedem Einzelnen von euch, dass er
heute Abend zu dieser Veranstaltung gekommen
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