Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
etwas erwähnt. Ich glaube auch nicht, dass sie sich das hätte gefallen lassen.«
»Frau Legler haben Sie also nach dem Besuch bei ihrem Mann nicht mehr gesprochen?«
»Nein, eben nicht. Ich machte mir Sorgen, ich wollte sie warnen.«
»Sie wäre vermutlich auch wütend gewesen, nicht?«
»Vermutlich schon.« Bianchera senkte den Blick.
»Sie haben sie nicht vielleicht nachher noch getroffen und sie hat aus Ärger über Ihre Indiskretion Schluss gemacht mit Ihnen?«
»Nein. Bestimmt nicht.« Er hatte genau verstanden, worauf Streiff hinauswollte.
»Und wo gingen Sie nach dem Besuch bei Fritz Legler hin?«
»Nach Hause. Ich bringe doch Angela nicht um«, sagte Mario erschöpft. »Ich liebte sie.«
»Haben Sie Kondome benutzt?«
»Was hat denn das damit zu tun?« Pause. »Ja, anfangs, als wir uns noch nicht gut kannten.«
»Hat Frau Legler Ihnen gegenüber erwähnt, dass sie von jemandem 7000 Franken in bar bekommen hat?«
»Wieso? Was für Geld denn? Davon weiß ich nichts.« Bianchera schien ehrlich verwirrt.
Bevor Streiff die nächste Person rief, versuchte er, Fritz Legler zu erreichen. Aber der meldete sich nicht.
Das lief ja ganz gut bis jetzt. Mal sehen, was Carlo Freuler ihm zu beichten hatte. Aber Carlo Freuler war gar nicht in Beichtlaune. Er war ein großer, massiger Mann, etwa Mitte 50, nachlässig gekleidet, Strickpulli und Turnschuhe. Er beantwortete Streiffs Fragen knapp und schlecht gelaunt. Natürlich hatte er das Opfer gekannt, aber so wenig mit ihm zu tun haben wollen wie möglich. Über Leglers Privatleben wusste er nichts, die Attacke auf dem Flohmarkt interessierte ihn nicht, ebenso wenig wie die verschwundenen 7000 Franken.
»Offenbar war Ihr Verhältnis zu Frau Legler ziemlich schlecht?«, bohrte Streiff nach.
»Sie war eine arrogante Kuh, die nichts von Grammatik, Rechtschreibung und Stil verstand«, wurde Freuler deutlich. »Aber umgelegt habe ich sie deswegen nicht.«
Die Arroganz war offenbar auf beiden Seiten, registrierte Streiff.
»Sie hatten wiederholt Streit miteinander?«
»Ja, hatten wir.«
»Auch gestern?«
»Ja. Das war nichts Besonderes. Legler fing gern Streit an. Sie piesackte auch Lina Kováts und Raffaela Zweifel.«
»War der Streit gestern Abend besonders heftig? Ich habe gehört, Sie hätten mit einem Duden um sich geworfen?«
Freuler lächelte verächtlich. »Die kleine Raffaela hat gepetzt. Um ihre Information zu korrigieren: Den Duden habe ich erst etwas nachdrücklich auf den Boden befördert, nachdem Madame Legler den Raum schon verlassen hatte. Ich habe nicht versucht, sie damit zu erschlagen.«
»Wo waren Sie gestern Abend?«
»Ich habe ein paar Bier in der Commihalle getrunken. Dann bin ich direkt nach Hause gegangen.«
Esther Jenny hatte sich Streiff für zuletzt aufgehoben. Sie bot ihm in ihrem kleinen, ziemlich unordentlichen Büro einen Platz an, schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr und versuchte erfolglos, ihren Seidenschal neu zu binden.
»Selbstverständlich helfe ich Ihnen gern, nur weiß ich leider überhaupt nichts«, begann sie eifrig.
Streiff glaubte ihr aufs Wort. Sie wirkte nicht wie jemand, der die Zügel fest in der Hand und ein Ziel im Blick hatte, eher wie jemand, der unbekümmert durchs eigene Chaos kreiste.
»Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten selbstständig, ich muss mich gar nicht viel um sie kümmern. Und ich habe so viel zu tun, Organisatorisches, wissen Sie.«
Streiff konnte es sich vorstellen.
»Wie ist denn der Dienst aufgebaut?«, wollte er wissen. »Was gibt es für Strukturen, Aufgabenteilungen, Hierarchieebenen? Was war die Funktion von Frau Legler im Ganzen? Mit wem hatte sie direkt zu tun?«
Es zeigte sich, dass Jenny durchaus klar denken konnte. Angela Legler, so ging aus Jennys Erklärungen hervor, hatte eine Schlüsselposition inne. Als Präsidentin der Verkehrs- und Umweltkommission erteilte sie dem Kommissionssekretär, Mario Bianchera, Aufträge für Berichte, hatte Anspruch auf administrative Dienstleistungen von Raffaela Zweifel, und als Ratslektorin beaufsichtigte und korrigierte sie die Arbeit der beiden Protokollführer, Lina Kováts und Carlo Freuler.
»Verlief die allseitige Zusammenarbeit reibungslos?«, erkundigte sich Streiff freundlich.
Jenny wand sich. »Na ja, Frau Legler, sie war, wie soll ich sagen, sie fand vielleicht nicht immer den richtigen Ton. Sie hatte ein etwas forsches Auftreten, musste sie ja auch, als Politikerin. Aber Frau Kováts kam ganz gut
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