Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
mit ihr zurecht und Herr Bianchera ebenfalls.«
»Das heißt, Frau Zweifel und Herr Freuler kamen nicht gut mit ihr zurecht?«, schlussfolgerte Streiff mitleidlos.
Jenny richtete sich auf: »Meine Mitarbeiter bringen niemanden um, wenn Sie das meinen«, erklärte sie würdevoll. »Ich würde für jeden von ihnen meine Hand ins Feuer legen.«
Streiff ließ das unkommentiert so stehen und wechselte das Thema. »Gestern ist im Büro nebenan nachts oder frühmorgens eine Pultschublade aufgebrochen worden. Wer hat rund um die Uhr Zugang zum Gebäude?«
»Zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens ist das Haus geschlossen. In der übrigen Zeit ist es frei zugänglich. Es gibt keine Personenkontrolle und keine Anmeldung beim Eingang. Es ist schon zwei-, dreimal vorgekommen, dass sogenannte Kriminaltouristen hereingeschlendert kamen und aus leeren Büros Portemonnaies von Mitarbeitern gestohlen haben.«
Streiff wusste von solchen Anzeigen.
»Wahrscheinlich war es jemand von außen. Ganz bestimmt.« Jenny nickte heftig.
Es war nicht unbedingt so, dass diese Frau darauf aus war, unangenehmen Wahrheiten ins Auge zu blicken, dachte Streiff. Dennoch fand er das Gespräch mit ihr ganz aufschlussreich.
Streiff schaute auf die Uhr. Gleich Zeit, sich mit Elmer zu treffen. Er freute sich. Auf dem Weg ins Café ließ er sich die Befragungen durch den Kopf gehen. Etwas quälte ihn. Da war doch irgendetwas gewesen, etwas, was er gehört oder wahrgenommen hatte. Aber es kam nicht in sein Bewusstsein, was es war. Irgendeine Kleinigkeit, die ihn stutzig gemacht hatte. Er zermarterte sich den Kopf, aber vergeblich.
Zita Elmer saß bereits im Gran Café, einen Kinderwagen neben sich, und aß einen Apfelstrudel. Sie gab sich Mühe, kühl dreinzuschauen, als sie Streiff erblickte, aber er merkte sofort, dass sie guter Dinge war. Er hatte sie gut drei Monate nicht gesehen. Sie war blass, hatte Augenringe und war entschieden dicker als früher, das Haar etwas strähnig, aber im Ganzen immer noch die alte Elmer, die er schätzte und auf die er sich verlassen konnte. Streiff bestellte einen Spinatkuchen mit Speck und ein alkoholfreies Bier.
»Und wie geht es mit dem Baby?«, erkundigte er sich. Er warf einen vorsichtigen Blick in den Kinderwagen und erblickte ein kleines Gesicht mit zugekniffenen Augen und einem winzigen Mund, das Zita überhaupt nicht ähnlich sah. Ob es nach dem Vater geraten war? Er hoffte, dass Elmers Antwort nicht zu ausführlich ausfallen würde. Sie machte es kurz.
»Es geht prima«, strahlte sie, »und ich habe im Schließfach etwas gefunden, was für mich zwar keinen Sinn macht, da du mir ja noch gar nichts erzählt hast. Aber ich nehme trotzdem an, dass du es interessant finden wirst.«
Streiff atmete auf. Zita hatte wieder Blut geleckt. Sie holte aus ihrer Tasche eine Kartonmappe und legte sie Streiff hin. Er öffnete sie – und schnappte fast nach Luft. Darin lagen sieben Tausendernoten und ein Zettel: Danke für dein Entgegenkommen, P.
»Ich habe noch etwas«, triumphierte Elmer. Sie griff unter den Kinderwagen, wo ein Körbchen angebracht war, in dem meist Babynahrung, Windeln und ein Plüschpinguin lagen, und zerrte eine grüne, quadratische Ledertasche hervor.
»Gehört einer Lina Kováts«, meldete sie. Im Kinderwagen war ein Geräusch zu hören. Sie war sofort gestresst, schaute nach dem Baby, aber es hatte nur im Schlaf gebrabbelt. Vielleicht träumte es. Streiff war das Intermezzo gar nicht aufgefallen. Schau an, dachte er, die ersten Puzzleteilchen finden ihren Platz. Wir haben das Geld, wir haben einen handschriftlichen Zettel, wir wissen, wer es auf die Seite gebracht hat, und wir wissen, dass es für Angela Legler verdammt wichtig gewesen sein muss, die Sachen in die Hände zu bekommen. Bloß wegen des Geldbetrags nimmt eine CVP-Politikerin keinen Einbruch und Entreißdiebstahl auf sich. Wenn ihr das Geld rechtmäßig gehört hätte, wäre die Polizei damit beauftragt worden. Er gab Elmer einen ausführlichen Bericht. Sie hörte konzentriert zu, stellte scharfsinnige Zwischenfragen.
»Fast ein bisschen viele mögliche Ansatzpunkte und Verdächtige«, meinte sie zum Schluss. »Die Frau hat sich in allen denkbaren Belangen in die Nesseln gesetzt. Bringt die halbe Alternativszene wegen des Flohmarkts gegen sich auf. Macht sich beim Pro-Veloweg-Lager unbeliebt. Nimmt – vermutlich – Bestechungsgeld entgegen. Mobbt Mitarbeitende. Und setzt ihrem Mann Hörner auf. Das muss man erst mal
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