Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
gekotzt«, wimmerte Zwicky. »Der Pfarrer macht mir gerade einen Tee.«
Unglaublich, dieser Zwicky war einfach zu nichts zu gebrauchen. Jetzt fiel der auch noch aus. Streiff überlegte kurz. »Warte einen Moment, ich ruf dich gleich zurück.«
Wollen wir doch mal sehen, dachte er, bevor eine Nummer wählte.
»Elmer.«
»Zita, hier ist Beat. Hör mal, ich brauche dich.«
Zita Elmer blieb die Luft weg. So was. Da ließ der Chef drei Monate lang nichts von sich hören und jetzt rief er plötzlich an, nicht etwa, um zu fragen, wie es ihr mit dem Baby erging, sondern mit einem Auftrag. Anders war das ›Ich brauche dich‹ nicht zu verstehen.
»Ich weiß, du hast Mutterschaftsurlaub und sicher eine Menge zu tun mit dem Kind«, sagte Streiff nervös. »Aber wir haben jetzt diesen Mord, zwei aus unserer Abteilung sind schon krank und jetzt ist auch noch Zwicky ausgestiegen. Hat während einer Wohnungsdurchsuchung gekotzt.«
»Richtig, ich habe eine Menge zu tun mit dem Baby«, bekräftigte Elmer. »Und manchmal kotzt es auch.« Im Moment hielt sie Leo im Arm und er saugte eifrig an ihrer Brust.
»Zita, komm, du gehst doch mit dem Kleinen auch raus. Tu mir einen Gefallen. Fahr zum Hauptbahnhof und leer ein Schließfach. Das ist alles. Ich muss unbedingt rasch wissen, was dort drin ist. Und ich bin mitten in Befragungen, ich kann jetzt nicht weg.«
Zita schwieg.
»Ich erzähle dir dann auch alles über den Fall«, drängte Streiff. »Du hast doch immer so gescheite Ideen.« Er wusste genau, wie er seine Kollegin ködern konnte.
»Na gut«, meinte sie widerstrebend, »wo ist dieser Schlüssel?«
Streiff rieb sich die Hände. Super. Natürlich hätte er auch eine Streife schicken können, um den Schlüssel zu holen und das Schließfach zu leeren. Zita wusste das genauso gut wie er. Aber er wollte sie bei diesem Fall dabeihaben. Und er war sicher, dass sein Angebot ihr gerade recht gekommen war. Ihr Widerstreben war nur gespielt gewesen.
Mit Elan begann Streiff die nächste Befragung. Mario Bianchera saß ihm gegenüber. Er war 35, wirkte aber eher jünger. Er hatte ein rundes Gesicht und dunkle Augen hinter einer Brille. Er trug Jeans, ein asphaltgraues Hemd und ein blaues Jackett. Er wirkte niedergeschlagen. Dennoch ging Streiff gleich in medias res. »Herr Bianchera, Sie haben heute Morgen um 8 Uhr Fritz Legler, den Ehemann der Toten, angerufen. Was wollten Sie von ihm?«
Bianchera blieb der Mund offen stehen. »Das ist alles nicht so einfach«, begann er zögernd.
»Ich habe Zeit«, meinte Streiff einladend.
»Angela und ich, wir, nun ja, wir haben, ich meine, hatten ein Verhältnis, eine Beziehung. Seit einem halben Jahr. Niemand durfte davon wissen. Aber ich mochte das nicht, diese Heimlichtuerei. Ich liebte Angela. Mit ihrem Mann verband sie nicht mehr viel. Ich finde, es ist doch heute nichts Ehrenrühriges mehr, sich scheiden zu lassen, auch nicht für eine CVP-Politikerin oder einen Pfarrer.« Er machte eine Pause.
»Ich drängte sie, es ihrem Mann zu sagen, aber sie wollte partout nicht. Sie konnte sehr bestimmt sein, wissen Sie.« Streiff wusste es.
»Da beschloss ich, sie vor vollendete Tatsachen zu stellen. Sie musste mich endlich ernst nehmen.«
»Tat sie das nicht?«
Bianchera seufzte. »Doch, schon, aber sie wollte meist bestimmen, wo es langging. Das hat mir irgendwie auch gefallen. Ich bin ja auch einige Jahre jünger als sie. Na ja, da bin ich gestern am frühen Abend bei ihrem Mann vorbeigegangen, als sie nicht da war, und habe es ihm gesagt.«
»Und?«
»Er hat mich hochkant rausbefördert. Er war dermaßen wütend, ich fürchtete fast, er würde mich niederschlagen. Ich dachte, dass Pfarrer irgendwie anders sind«, fügte er naiv hinzu. »Jedenfalls bin ich praktisch geflohen. Heute Morgen habe ich angerufen, weil ich hoffte, wir könnten nochmals reden. Ich wusste auch nicht, was mit Angela war. Ich habe gleich nach dem Besuch bei ihrem Mann versucht, sie anzurufen, aber ich konnte sie nicht erreichen. Jetzt weiß ich, warum.« Er schluckte. »Ich frage mich, ob ich einen Riesenfehler gemacht habe.«
»Glauben Sie, Legler hat seine Frau umgebracht, weil sie ihn betrogen hat?«
»Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht.«
»Was hat sie Ihnen über ihre Ehe erzählt?«
»Dass ihr Mann und sie sich auseinandergelebt hätten. Viel hat sie nicht gesagt.«
»War Fritz Legler je gewalttätig seiner Frau gegenüber?«
Bianchera schüttelte den Kopf. »Davon hat sie nie
Weitere Kostenlose Bücher