Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
paar braune Gräser versengte, bevor sie erlosch.
Menschen kamen zu Fuß auf den Hof – eine ganze Menge, Männer, Frauen, sogar zwei kleine Kinder und ein schwarzer Hund, der sich zum Glück ruhig verhielt, vielleicht weil ein Strick um seinen Hals hing. Kim konnte die Menschen gar nicht alle zählen, so viele waren es. Sie waren aufgeregt und unterhielten sich durcheinander. Als sie Haderer am Zaun erblickten, bewegten sie sich wie eine kleine Welle auf ihn zu.
»Vorsicht – das Dorf kommt«, raunte Che ihr ins Ohr, während Kim zu den Wasserwannen ging, die beide nun fast leer waren.
Statt die letzte Pfütze Wasser zu saufen, bevor Brunst es tat, der sich ebenfalls wieder auf die Beine gerappelt hatte, drehte Kim sich um. Ein Mann überragte alle anderen, er hatte ein rötliches Gesicht, das mit glitzernden Schweißperlen übersät war, und trug einen blau-weiß gestreiften Kittel, an dem Blut klebte. Mit ausgestreckten Händen schritt er auf Haderer zu, und fast konnte man meinen, er würde sie ihm um den Hals legen. »Wir wollen wissen, was los ist!«, brüllte er, und zwei, drei Menschen fielen ein und wiederholten seine Worte.
»Wer ist das?«, fragte Kim leise, obwohl sie eine leise Ahnung hatte.
Che schaute sie böse an. »Das«, grunzte er, so missmutig er konnte, »ist der Verursacher allen Übels. Kaltmann, der Schlächter, ist gekommen, um uns zu holen.«
5
Es wäre ein Kinderspiel gewesen abzuhauen – wenn nur Lunke gekommen wäre, aber er ließ sich nicht blicken.
Man kann den wilden Schwarzen nicht trauen, dachte Kim. Wie oft hatten Doktor Pik und Che das schon gesagt. Hüte dich vor den wilden Schwarzen! Die Schwarzen wollen nur das eine! Was dieses eine war, hatte keiner von den beiden je erklärt, und Kim hatte auch nie gefragt, weil es so klang, als müsste sie es wissen.
Haderer war verschwunden, ohne sie in den Stall zu treiben und die Tür abzuschließen. Er hatte sie sich selbst überlassen, als ginge ihn das alles nichts mehr an. Wie nicht anders zu erwarten, hatte er auch den Wasservorrat nicht aufgefüllt.
Als es Abend wurde, waren sie alle wortlos in den Stall getrottet. Selbst Cecile hatte geschwiegen. Sie hatten sich nach ihrem Abendfutter umgesehen, ob Haderer den Trog mit Körnern aufgefüllt hatte, auch wenn sie schon wussten, dass er es nicht getan hatte.
»Geht es also los!«, hatte Che gegrunzt. »Sie wollen uns aushungern, uns mürbe machen – diese Ausbeuter.«
Dann hatten sie sich wie immer zusammen in ihre Ecke gelegt. Frisches Stroh gab es auch keins, aber das war ja schon in der Nacht zuvor so gewesen.
Kim spürte, wie ihre Stimmung schlechter wurde. Was sollte aus ihnen werden – ohne Munk, ohne Dörthe?
Als es dunkel wurde, schien der Mond nicht nur durch das kaputte Fenster, sondern auch durch die offene Tür. Ein leichter angenehmer Wind strich herein.
»Ich habe Durst«, quengelte Cecile.
Den letzten Rest Wasser im Stall hatten sie sich redlich geteilt, obwohl noch Ebersbachs Zigarette darin geschwommen war und es bitter gemacht hatte.
»Warum gibt uns niemand etwas zu trinken?« Cecile schaute einen nach dem anderen an, doch keiner sagte etwas.
Schließlich schlief die Kleine ein.
Die offene Tür war wie eine Verheißung. Was lamentierten sie darüber, dass sie kein Wasser mehr hatten – sie konnten doch einfach abhauen. Weg hier! In den Wald, einen Teich suchen oder durch ein Feld laufen und alles fressen, was ihnen vor den Rüssel kam.
Was aber war mit Lunke? Kim musste sich eingestehen, dass ihr größter Ärger daher rührte, dass er sich nicht blicken ließ. Hatten sie nicht so etwas wie eine Verabredung gehabt? Man kann den wilden Schwarzen nicht trauen – dahin kehrten alle Gedanken zurück.
Sollte sie sich allein zu Kaltmann aufmachen? Die Tür war offen, das Loch im Zaun war groß genug für sie …
Kaltmann hatte ziemlich gefährlich ausgesehen – sein Kittel war voller Blut gewesen, sogar Haderer hatte die Augen gesenkt und Angst vor ihm gehabt. Aber wenn sie nichts tat, würde Dörthe vielleicht nie zurückkehren, und Haderer würde in das Haus einziehen und Munks Zigarren rauchen. Eine Vorstellung, die Kim frieren ließ, obschon es im Stall nach wie vor warm und drückend war.
Fast hätte sie Che gefragt, ob er sie zu Kaltmann begleiten würde; er kannte den Weg, er war sogar schon fast im Schlachthaus gewesen, als Dörthe ihn gerettet hatte, aber Kim konnte sich nur allzu gut vorstellen, was er in seinem typischen
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