Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
aber der hässliche Kerl hat ganz schön geschrien, als ich ihn über den Haufen gerannt habe. Beim nächsten Mal nehme ich ihn mir richtig vor.«
Kim konnte sich nicht erinnern, einen menschlichen Schrei gehört zu haben, aber das spielte nun keine Rolle. Im nächsten Moment bemerkte sie etwas anderes: An Lunkes kaputtem Eckzahn hing ein Rest von einer Plastiktüte und ein Stück Papier. Sie kniff die Augen zusammen. Bücher kannte sie, weil Dörthe manchmal mit einem Buch auf dem Gatter gesessen und laut daraus vorgelesen hatte. Das Papier stammte eindeutig aus einem Buch, und in der Plastiktüte steckte noch der Rest einer bitteren Pflanze.
»Du bist klug«, sagte sie zu Lunke, der daraufhin triumphierend lächelte. Den leichten Spott in ihrer Stimme hatte er augenscheinlich nicht registriert.
»Du meinst, weil ich die Tür geöffnet habe? War eine Kleinigkeit für mich – nicht der Rede wert!«
»Ja, und weil du etwas aus dem Schuppen mitgebracht hast.« Kim deutete mit dem Kopf auf das Papier auf dem Eckzahn. »Das war eine gute Idee.«
Lunke verdrehte die Augen, um seinen Eckzahn anzublicken. »Ja, klar«, sagte er vage, weil er offensichtlich immer noch nicht wusste, was Kim meinte. »Ich denke stets an alles – eine Spezialität von mir.«
»Vielleicht können wir die beiden Sachen noch gebrauchen.« Sie begann nachzudenken. Kroll konnte zu einer ernsten Gefahr werden, wenn er noch wütender auf Lunke wurde.
»So wie wir es mit dem Stiefel gemacht haben?« Lunke schaute sie an, als würde ihm ganz allmählich dämmern, was sie meinte.
Kim nickte. »Vielleicht, aber nun müssen wir zurück. Cecile ist müde und hat genug von der großen Freiheit.« Sie bemerkte, dass die Kleine mit offenem Maul dastand und Lunke anstarrte, als müsste sie sich alles an ihm einprägen – seine mächtige Brust, seine dunklen Borsten, die beiden leuchtenden Eckzähne und das Blut an seinem Kopf.
»Sie sind wirklich sehr stark«, piepste Cecile ehrfürchtig. »Das sieht man sofort.«
»Kleine, du hast mich noch gar nicht richtig in Aktion gesehen«, erwiderte Lunke und reckte den Kopf ein wenig höher. »Da fangen selbst Hunde vor Angst das Pfeifen an.«
»Hunde können pfeifen?«, fragte Cecile und machte große Augen.
»Ist so eine Redensart bei uns Schwarzen«, erwiderte Lunke jovial lächelnd.
»Du musst ihm nicht alles glauben, was er sagt, Cecile«, meinte Kim. »Er ist ein ziemlicher Angeber.« Sie schlug den Weg ein, von dem sie hoffte, dass er zurück zum Stall führte.
Lunke lachte dröhnend. »Wenn du weiter so unfreundlich zu mir bist, erzähle ich der Kleinen, was du neulich mit mir angestellt hast.«
Kim wandte sich um und funkelte den Schwarzen wütend an. »Und was – bitte schön – habe ich mit dir angestellt?«
Lunke warf Cecile einen komplizenhaften Blick zu, als würden die beiden sich schon eine Ewigkeit kennen. Es ärgerte Kim, zu sehen, wie die Kleine diesen Blick genoss und sich aufplusterte.
»Erst«, sagte Lunke und begann obendrein noch zu zwinkern, »hat sie mich diese würzigen Pflanzen fressen lassen, dann hat sie mich an den See gelockt, hat mir schöne Augen gemacht und mich in den Nacken gebissen und dann … dann hat sie …«
»Noch ein Wort«, unterbrach Kim ihn drohend, »und du bekommst meine Hinterläufe da zu spüren, wo es wilden Schwarzen besonders wehtut.«
»Liebste Kim, kaum etwas würde ich mir sehnlicher wünschen.« Mit einem heftigen Rempler stürmte er an ihnen vorbei in den dunklen Wald.
Kim blieb nichts anderes übrig, als ihm hinterherzulaufen.
Am liebsten hätte Cecile jedem sofort in aller Ausführlichkeit von ihrem großen Abenteuer und von Lunke erzählt, doch die Wiedersehensfreude der drei Eber hielt sich in Grenzen. Che öffnete kaum die Augen, und Brunst grummelte: »Ist die Nervensäge also wieder zurück.« Einzig Doktor Pik rang sich ein schläfriges Lächeln ab und meinte: »Na, kleine Ausreißerin, komm und leg dich neben mich.« Dann schob er einen Huf über sie, als müsse er sie beschützen.
Kim kratzte ein paar Reste Stroh zusammen und legte sich in eine eigene Ecke. Sie wollte nachdenken, wie das alles zusammenhing – Kroll und Altschneider und der Schuppen, aus dem sie Cecile befreit hatten … Man musste nicht das klügste Schwein weit und breit sein, um zu begreifen, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Die drei Menschen hatten sich heimlich getroffen und hatten diese Pflanzen heimlich gesammelt, und Haderer hatte
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