Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
Schatten hatte sich so postiert, dass man ihn nicht genau ausmachen konnte.
Plötzlich spürte Kim, dass sich die Borsten in ihrem Nacken aufrichteten. Sie hatte Angst, eine tiefe Angst, die sich durch ihre Eingeweide wühlte. War es der Mann aus der Mordnacht? War er gekommen, um sie zu töten, weil sie alles mit angesehen hatte?
Sie stieß einen furchtsamen Grunzer aus, um die anderen aufzuwecken – auch wenn sie wusste, dass keiner der vier ihr eine Hilfe sein würde.
Endlich löste sich der Schatten von der Tür und trat in die breite Lichtbahn, die durch das kaputte Fenster fiel.
Kim hielt den Atem an. Es war Munk, der zweite, der falsche Munk, der gestern gekommen war und alle durcheinandergebracht hatte. Der Mann, den Michelfelder Mörder genannt hatte!
Aber er hatte kein Messer in der Hand. Er bewegte sich unschlüssig, beinahe so, als hätte er selbst Angst, den Stall zu betreten. Langsam kam er näher, lehnte sich an das Gatter und blickte Kim an. Er lächelte schmerzhaft.
»Hallo, kluge Kim«, sagte er.
Kim war überrascht. Hatte Dörthe von ihr erzählt? Etwa dass Munk, der richtige Munk, bei ihr gelegen hatte, als er gestorben war?
Sie stieß ein leises Schnauben aus. Wenn der Mann tatsächlich ein Mörder war, tat sie vermutlich gut daran, ihn freundlich zu behandeln.
»Hier ist es also passiert?«, sprach der Mann vor sich hin, während er seinen Blick durch den Stall schweifen ließ. »Hier ist der Scheißkerl abgekratzt? Der große Munk, das Malergenie stirbt in einem schmutzigen Schweinestall! Na, das ist der richtige Stoff für eine Legende.«
Er hob den Riegel am Gatter hoch, öffnete es, trat in den Pferch und schloss das Tor wieder sorgsam. Einen Moment später stand er genau vor ihr.
Kim wusste nicht, ob sie zurückweichen sollte, aber der falsche Munk beachtete sie gar nicht, sondern drehte sich einmal um sich selbst. Er hatte wirklich eine täuschende Ähnlichkeit mit dem Toten – die gleiche leicht gebückte Haltung, die gleichen groben Hände, und selbst seine Gesichtszüge schienen die gleichen zu sein: die große, ebenmäßige Nase, der schmale, leicht verkniffene Mund, der dunkle Schatten auf den stoppeligen Wangen, die grauen, an den Ohren leicht gelockten Haare, die sich über der Stirn längst gelichtet hatten.
Er wandte sich wieder Kim zu, während Doktor Pik und Brunst sich in ihrer Ecke zu regen begannen.
»Soll ich dir etwas sagen, Schweinchen? Ich bin froh, dass der Dreckskerl tot ist. Er hat mein Leben zerstört … hat sich an Merle, meine Frau, herangemacht, hat sie in sein Bett gelockt und sie getötet, als sie sich von ihm trennen wollte. Er war der Mörder meiner Frau – mein eigener Bruder.«
Kim spürte die harten, unerbittlichen Augen des Mannes auf sich. Sie trat schnaubend den Rückzug an und blickte durch die offene Tür nach draußen. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, und doch wirkte es wie ein dunkler Tag. Sie hatte sich getäuscht. Dieser Munk mochte bis auf das letzte Härchen seinem toten Bruder gleichen, doch im Innern war er vollkommen anders – düster und ohne Hoffnung, dass ihm noch einmal etwas Gutes widerfahren würde.
»Merle«, fuhr der falsche Munk leise fort, die Augen nun auf das kaputte Fenster gerichtet, »sie war schwach – es hat sie beeindruckt, dass ein berühmter Mann wie Robert sie attraktiv fand, aber sie wäre …« Er hielt inne, lächelte flüchtig und seufzte. »Bestimmt wäre sie zu mir zurückgekehrt. « Er breitete die Hände aus, streckte sie Kim entgegen – sie rochen nicht nach Farbe. »Aber dann … Diese verdammten Spuren … Robert war immer klüger als ich, doch nun stehe ich hier und lebe, und er ist tot.«
Schritte waren an der Tür zu hören, die Kim vor dem zweiten Munk wahrnahm. Den Geruch, der heranwehte, kannte sie – der ewig schwitzende Ebersbach watschelte in den Stall, in seinem Schlepptau der hässliche Kroll, der laut schmatzend an irgendetwas kaute.
Munk schnellte herum. Unsicher blickte er zur Tür. »Herr Kommissar!«, sagte er dann mit leicht schriller Stimme, die seine Überraschung und seinen Schrecken verbergen sollte. »So früh hätte ich Sie nicht erwartet.« Er eilte zum Gatter, als müsse er sich in Sicherheit bringen.
Ebersbach schob sich an das Gatter, presste seinen Bauch dagegen, so dass Munk es nicht öffnen konnte. Einen langen Moment stand der Kommissar nur da, als wäre er mit nichts anderem beschäftigt, als durchzuatmen, weil er sich so schnell bewegt hatte. Nein,
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