Sauberer Abgang
Frau sie in einem nach nassem Hund riechenden Kombi bis Wüster.
In dieser Nacht schlief Thomas das letzte Mal mit Vreni.
Im Frühjahr verliebte er sich in Doro, obwohl sie nicht mit ihm ins Bett wollte. Eva wollte, aber mit der mochte Thomas nicht. Und dann traf er Jenny.
Jenny war die Frau, die er nie verlieren wollte. Aber er verlor sie, nur wenig später. Er tauschte Jenny gegen Will und Michel und Julius. Und er verlor sie an Leo, dem er das nie verzeihen würde. Der Sommer wurde Sehnsucht und unerfüllte Wünsche, und er endete mit Dauerlauf und Frühgymnastik. Und mit dem kältesten Winter, den Thomas je erlebt hatte.
7
Sie war heute morgen spät dran. Karen fühlte sich schuldbewußt, als sie die Kollegen auf dem Flur stehen sah. Viel zu lange und auch noch vergeblich hatte sie auf das Wiederauftauchen von A-Hörnchen und B-Hörnchen gewartet, nachdem sie schon um sechs vom Knuspern und Rascheln auf dem Balkon wach geworden war.
Als Karen näher kam, wunderte sie sich über die ernsten Gesichter. »Ist wer gestorben?« sagte sie spöttisch zu H 2 O, der mitten auf dem Flur stand und den Kopf schüttelte in einer Parodie der Fassungslosigkeit.
»Es ist schrecklich.« H 2 O sah sie vorwurfsvoll an.
»Was ist schrecklich?«
Manfred Wenzel nahm sie am Arm und ging mit ihr zur Seite. »Thomas Czernowitz ist gestern abend in seinem Büro tot aufgefunden worden.«
Fast hätte auch sie den Kopf geschüttelt. »Todesursache?«
»Aglaia hat ihn sich in der Nacht noch vorgenommen. Er ist erwürgt worden. Kompression der Carotiden, Kehlkopfbruch. Auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Sehr geschickt gemacht.«
Karen schluckte. Erwürgen ist nicht unbedingt schwierig – sofern man es richtig anstellt, ist das Opfer bereits in Ohnmacht gefallen, wenn man ihm den Kehlkopf zerdrückt. Keine Zeit für Gegenwehr.
»Die Spurensicherung hat sich die Knie wund gearbeitet. Verwertbare Spuren gibt es nicht, nur das übliche.«
Karen nickte. Der Tod eines Kollegen nahm alle mit, und niemand wollte sich vorwerfen lassen, es sei nicht alles Erdenkliche getan worden. »Wer hat ihn gefunden?«
»Ein Mann namens Will Bastian, der angeblich mit ihm verabredet war.«
»Verdachtsmomente?«
Wenzel zuckte die schmalen Schultern. »Der Mann ist noch nicht 48, wohnhaft in Frankfurt, Journalist, nicht verheiratet, keine Kinder. Ein Freund von Thomas, seit fünfundzwanzig Jahren. Nichts spricht dafür, daß Bastian seinen Freund erwürgt hat, außer der Tatsache, daß er um die Tatzeit am richtigen Ort aufgetaucht ist.«
»Die Polizei …«
»Rotiert. Größtmögliches Aufgebot. Pressekonferenz heute nachmittag.«
Karen nickte. Das war ein Fall, in dem man mit erheblichem öffentlichen Interesse rechnen mußte. Es war besser, man stellte sich gleich darauf ein.
Heute kehrte keine Ruhe ein im 1. Stock von Justizgebäude C. Man war es einem Kollegen schuldig, daß man alle Kräfte bündelte, um seinen Mörder zu fassen. Zacharias verteilte die Zuständigkeiten und versammelte alle zum Rapport, eine Stunde vor der für 16 Uhr einberaumten Pressekonferenz.
Der Abteilungsleiter hatte Karen die Vertretung des toten Kollegen übertragen. Sie gab Czernos Dezernentenkennziffer in den Computer ein und überprüfte die Fälle, die er zuletzt bearbeitet hatte. Es passierte nicht eben häufig, daß ein verurteilter Verbrecher sich rächt – und auch noch am Staatsanwalt, nicht am Richter. Aber denkbar war alles – auch, daß jemand glaubte, der Tod des ermittelnden Staatsanwalts könne ein laufendes Strafverfahren aufhalten.
»Ich habe nur in einem Fall noch keinen Rücklauf.« Der wegen Scheckbetrugs verurteilte Afghane war abgeschoben worden, und die dortigen Behörden konnten nicht sagen, wo er sich aufhielt. »In allen anderen Fällen geht es um Bagatelldelikte oder die Beschuldigten sitzen ein oder sie haben für die in Frage kommende Tatzeit ein Alibi.«
»Keine Russenmafia? Keine jugoslawische Verschwörung?« OStA Zacharias bemühte sich um Witz, während er seinen Füllfederhalter noch hektischer als sonst gegen die Vorderzähne tippen ließ. Karen glaubte ihn zu verstehen: Wenn Staatsanwälte schon öffentliche Aufmerksamkeit genossen, dann sollte man sie wenigstens als unermüdliche Kämpfer für saubere Verhältnisse wahrnehmen. Und nicht etwa als Männer mit einem eher zwielichtigen Privatleben.
Darum hatte sich Manfred Wenzel gekümmert.
»In Thomas’ Lage wäre ein als Unfall getarnter Selbstmord eine gute
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