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Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)

Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)

Titel: Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Jacobs
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Gleichzeitig darf ich auch in diesem Fall den Placebo-Effekt nicht unterschätzen. Vor allem hinsichtlich meiner gesteigerten Vitalität und Selbstsicherheit. In dem Bereich ist die wissenschaftliche Beweislage nämlich eher dünn.
    Ein paar Wochen später wird mein Testosteronspiegel überprüft. Als die E-Mail mit den Ergebnissen in meinen Posteingang ploppt, will ich sie erst gar nicht öffnen. Was, wenn er weiter gefallen ist? Doch am Ende stehe ich meinen Mann und öffne die Nachricht. 465. Also ist er gestiegen. Und zwar so sehr, dass ich mittlerweile im normalen Bereich bin. Ich bin jetzt offiziell der maskuline Typ, so viel steht fest.
    Nachdem ich die Tabletten zwei Monate lang genommen hatte, stieg mein Testosteronspiegel sogar auf 650 – ein Wert, sagte ich Julie, der in etwa zwischen Holzfällerniveau und demjenigen italienischer Ex-Regierungschefs angesiedelt ist.
    Irgendwann jedoch kommt mir in den Sinn, dass der von mir gewählte Zeitraum für eine Testosterondröhnung womöglich historisch schlecht war. Immerhin schreibt Hanna Rosin in einem Artikel in The Atlantic mit dem Titel The End of Men , Frauen seien für die Erfordernisse der modernen Gesellschaft möglicherweise besser gerüstet als Männer. »Erstmals in der Geschichte der USA sind überwiegend Frauen berufstätig. Sie vereinigen die Mehrzahl der Arbeitsplätze auf sich. Die heutzutage wichtigsten Eigenschaften in der Arbeitswelt – emotionale Intelligenz, Kommunikationsbereitschaft, ruhiges, konzentriertes Arbeiten – kann man beim besten Willen nicht unbedingt als ›typisch männlich‹ bezeichnen. Tatsächlich ist wohl eher das Gegenteil der Fall.«
    Ich sollte also vielleicht lieber eine Östrogentherapie machen. Neulich las ich eine Studie, der zufolge das Ausdrucksvermögen von Frauen während des Eisprungs zu Hochform aufläuft – also dann, wenn ihr Östrogenspiegel am höchsten ist. Insofern würden Östrogenspritzen vielleicht die Qualität meiner Texte verbessern.
    Aber jetzt setze ich erst mal das Clomifen wieder ab. Unter anderem, weil es mich langsam nervt, andauernd meine Schläfen auf sichtbare Anzeichen von Haarausfall zu überprüfen.
    Check-up: Monat 21
    Mein Großvater ist wieder einmal im Krankenhaus, dieses Mal wegen Atemnot. Ich nehme ein Taxi, um ihn zu besuchen.
    »Ach, Sie wollen ins Krankenhaus«, sagt der Fahrer, als ich ihm die Adresse nenne.
    »Da fällt mir ein: Was ist der Unterschied zwischen einem Arzt und Gott?«
    »Keine Ahnung.«
    »Gott gibt sich nicht als Arzt aus.«
    Warum haben Taxifahrer bloß diese Vorliebe für Ärztewitze? Ich lächle höflich. Im Augenblick weiß ich solche kleinen Scherze nicht unbedingt zu schätzen.
    Im Aufzug nach oben stehen bereits mehrere andere Besucher, die sich leise unterhalten. Ich steige im achten Stock aus, gehe bis zum Ende des Foyers, dann links und stehe schließlich vor Zimmer 134.
    Das Zimmer meines Großvaters. Er liegt im Bett auf seiner rechten Seite, von drei Kissen gestützt, trägt ein weißblaues Krankenhaushemd und hat einen Sauerstoffschlauch unter der Nase. Seine Augenbrauen sind so buschig wie eh und je.
    Sein geöffneter Mund bildet ein Oval, an dem die Lippen fast nicht mehr erkennbar sind.
    »Guck mal, wer da kommt!«, sagt seine Tochter Jane. Sie trägt noch den blauen Jogginganzug, in dem sie hier die Nacht verbracht hat. »Besuch ist viel besser für dich als Antibiotika!«
    »Hallo Grummelgroßpapa«, sage ich. Er atmet schwer und flach und schaut mich aus halb geöffneten Augen an. Seine Hand hebt sich um anderthalb Zentimeter von der Matratze – sie sieht klein und schlaff aus, fast wie die Hand einer alten Dame –, und ich ergreife sie. Er drückt mir die Finger. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Ich weiß es nicht.
    Jane hat ein Stäbchen in der Hand, auf dem ein grünes feuchtes Schwämmchen steckt. Sie betupft seinen Mund damit, um ihn feucht zu halten. Dann beugt sie sich über ihn und küsst ihn auf die Wange.
    Im Fernsehen läuft Bloomberg Business TV . Typisch Großvater – bis zuletzt ganz Business Man .
    Ich habe das Gefühl, ihn ein bisschen unterhalten zu müssen. Das ist hier meine Aufgabe. Also erzähle ich ihm Anekdoten von den Kindern und von der Arbeit. Ich erzähle ihm von dem Interview mit George W. Bush, in dessen Verlauf der Expräsident mir vertraulich mitteilte, eine gewisse Politikergattin sei so etepetete und verklemmt, »die hat bestimmt ’ne Essiggurke im Arsch stecken«. Ich erzähle mit

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