Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
sättiget euch an dem herrlichen Anblicke.«
Genauso betrachte ich meinen Magen. Als wildes Tier in mir. »Hier, da hast du deine Vanillewaffeln, du gefräßige Töle, und jetzt gib gefälligst Ruhe!«
Ich muss mich dringend wieder in den Griff bekommen. Vor ein paar Wochen habe ich in Philadelphia einen Termin beim Monell Chemical Senses Center vereinbart, dem größten Forschungszentrum der USA , das sich ausschließlich mit dem menschlichen Geruchs- und Geschmackssinn befasst. Meine Freunde sagen mir sowieso andauernd, ich müsse nach Großvaters Tod erst wieder Geschmack am Leben finden. Insofern ist dieser Termin vielleicht gerade genau das Richtige für mich.
An einem kalten Dienstagmorgen fahre ich mit dem Zug nach Monell. Das Forschungszentrum ist unschwer zu finden – die riesige Bronzeplastik einer Nase auf dem Vorplatz des Gebäudes weist den Weg. Ich frage mich bang, wie wohl die Skulptur aussähe, die dieser Bildhauer im Auftrag einer Fachklinik für Urologie erschaffen würde.
Die 80 Mitarbeiter des Forschungszentrums verbindet die Überzeugung, dass der Einfluss von Geruchs- und Geschmackssinn auf die Gesundheit bislang unterschätzt wird. Deshalb bin ich hier.
Dabei ist seit Jahrtausenden bekannt, dass zwischen Geruch, Geschmack und Gesundheit ein Zusammenhang besteht. Die ersten Ärzte erstellten ihre Diagnosen mit der Nase, wie Esther Sternberg in ihrem bereits erwähnten Buch Heilende Räume schreibt. Süßlicher Uringeruch beispielsweise war ein Anzeichen für Diabetes. Ein Ansatz, der derzeit eine Renaissance erlebt – dank der sogenannten Geruchsdiagnostik, bei der über 1000 Substanzen und Verbindungen in der ausgeatmeten Luft analysiert werden.
Auch wird schon lange vermutet, dass Geschmack und Geruch einen Einfluss auf Stimmung und Verhalten haben. Florence Nightingale war der Überzeugung, Lavendel beruhige ihre Patienten. Bei ihrer Arbeit im Kriegslazarett betupfte sie die Stirn verwundeter Soldaten mit Lavendelöl. Doch leider liegen bislang nur wenige streng wissenschaftlich angelegte Studien zum Thema Geruch/Geschmack und Verhalten vor. Stattdessen findet die etwas wirre, aber immerhin wohlmeinende Aromatherapie zunehmend Verbreitung. Aromatherapie – also die Anwendung ätherischer Öle zur Gesundheitspflege – ist nicht unbedingt das Schlechteste. Vor allem dann nicht, wenn sie mit einer Fußreflexzonenmassage einhergeht. Doch aus wissenschaftlicher Sicht ist sie ungefähr so stichhaltig wie Numerologie.
Das Monell Center arbeitet daran, das zu ändern.
Leslie Stein, Mitarbeiterin am Forschungszentrum, führt mich durch das fünfstöckige Gebäude. Die energiegeladene Frau mit der blauen Brille zeigt mir Mikroskope, lastwagengroße Tiefkühlschränke, Mäuselabyrinthe, ein Dutzend in Reih und Glied aufgehängter weißer Laborkittel, Wissenschaftler, die in ihren Büros über Daten brüten, Elektrodenkappen und eine Oskar-der-Griesgram-Puppe im Testraum für Kinder. Seltsamerweise ist das Gebäude ziemlich geruchsneutral. Ich kann lediglich ein Tandoori-Hühnchen erschnuppern, das einer der Mitarbeiter offenbar gerade in die Mikrowelle gesteckt hat.
Hier walten Entdeckergeist und Abenteuerlust. Der Geruchssinn ist längst nicht so gründlich erforscht wie die anderen Sinne. »Ich finde ihn großartig, denn er ist wie ein weißer Fleck auf der Landkarte«, erzählt mir der aus Schweden stammende Forscher Johan Lundström. »Wenn ich eine Theorie aufstelle, kann ich mir gleich selbst eine passende Versuchsanordnung einfallen lassen, um sie zu überprüfen, denn meistens ist vor mir noch keiner auf denselben Gedanken gekommen.«
Das Forschungszentrum führt unter anderem Experimente in folgenden Bereichen durch:
Posttraumatische Belastungsstörungen, denn die Flashbacks , die das zugrundeliegende Trauma immer wieder ins Bewusstsein rufen, können auch durch Gerüche ausgelöst werden, etwa Explosionsgeruch.
Züchtung von Nervenzellen. Die Nervenzellen in der Nase zeichnen sich durch eine Besonderheit aus: Sie können sich innerhalb von 30 Tagen regenerieren. Wird die Medizin diese Zellerneuerung eines Tages vielleicht auch außerhalb der Nase bewirken können?
Mein persönliches Lieblingsexperiment brachte an den Tag, dass der Geruch eines männlichen Körpers auf Frauen beruhigend wirkt. Eine großartige Entschuldigung dafür, ungeduscht herumzulaufen: »Das mach ich nur, damit du dich ein bisschen entspannen kannst, Liebes!«
Ich verbringe einen ganzen Tag im
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