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Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)

Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)

Titel: Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Jacobs
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aber nicht unbedingt für jemanden, der als Triathlet durchgehen möchte.
    »Und was für ein Riesenteil!«, sagt der Typ mit dem Bart. »Hast du da vielleicht ein paar Ersatzbeine drin für den Fall, dass deine eigenen schlappmachen?«
    Tony schaut mich an. »Ich weiß nicht, ob ich das so toll finde, was der Typ hier von sich gibt.«
    Tony, der ehemalige Bewährungshelfer, könnte diesen Blödmann mit einem Hieb aufs Maul auf die Bretter krachen lassen. Doch ich beschwichtige ihn. Wir müssen unsere Kräfte schonen.
    Als wir von Bord gehen, wissen wir gleich, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Aus Lautsprechern dröhnt Bruce Springsteens Fitness-Hymne Born to Run . Auf dem Gelände vor uns stehen Hunderte Fahrräder, ordentlich in langen Stahlständern abgestellt. Überall liegen Helme, Handtücher und Packungen mit Brombeer-Energie-Gel rum. Ich kette mein Fahrrad an einem freien Stellplatz an. Neben mir zieht eine Frau um die 20 gerade den Reißverschluss ihres Wetsuits zu.
    »Haben Sie bei diesem Triathlon schon mal mitgemacht?«, frage ich.
    Sie nickt.
    »Und wie ist die Wassertemperatur so?«
    »Ach, am Anfang kriegt man glatt Panik. Man hyperventiliert, so kalt ist es.«
    Kurz darauf stehe ich in der Schlange vor den Toiletten und stelle dieselbe Frage einem anderen Triathlon-Veteranen, einem Mann mit einer orangefarbenen Schwimmbrille, die er im Augenblick noch auf dem Kopf trägt.
    »Ach, am Anfang kriegt man glatt Panik. Man hyperventiliert, so kalt ist es.«
    Am nahegelegenen Strand stellen wir uns in Reih und Glied hin, und auf den Startpfiff waten wir ins dunkle Wasser der Raritan Bay.
    Eiskaltes Wasser rinnt in meinen Wetsuit, den Rücken und die Arme hinauf. Ein unangenehmes Gefühl – als würde ich durch einen Drink mit Crushed Ice schwimmen. Aber … merkwürdigerweise gerate ich nicht in Panik und hyperventiliere auch nicht. Was nicht daran liegt, dass ich so wahnsinnig mannhaft wäre, jetzt, mit meinem auf Durchschnittsniveau gepushten Testosteronspiegel. Nein, ich hatte mich auf dieses Eisschwimmen schlicht so lange mental vorbereitet, dass die 15-Grad-Realität mir nicht allzu schlimm vorkam.
    Vielleicht helfen mir ja auch meine neu erlernten Stressbewältigungsstrategien: Ich halte mich an meine Bauchatmung. Ich fluche, weil ich weiß, dass sich Schmerzen dadurch nachweislich besser ertragen lassen. Ich versuche mich in einer buddhistisch-distanzierten Betrachtung: »Das ist aber ein interessantes Gefühl, das meine Haut da gerade durchdringt!«
    Ich durchpflüge die bewegte See. Alle halbe Minute strecke ich den Kopf aus dem Wasser und versuche mich zu orientieren. Elf Minuten später schwimme ich um eine leuchtend orangefarbene Boje herum und bin kurz darauf wieder am Strand. So viel Angst – und nach elf Minuten ist alles vorbei.
    Tropfend renne ich zu »meiner« kleinen Parzelle auf dem Gelände, um mir den Wetsuit auszuziehen. Zuvor ist mir gar nicht klar gewesen, wie viel Umzieherei so ein Triathlon erfordert. Das Ganze ist wie die Turboversion eines Broadway-Musicals: rein in die Kostüme, raus aus den Kostümen. Nachdem ich mich endlich aus meinem Wetsuit gepellt habe, trockne ich mich ab, ziehe Radlerhosen, Socken und Schuhe an und reibe mich mit Sonnenmilch ein. Schon diese eine Aktion ergäbe eine Show von gut zehn Minuten Dauer.
    »Phase zwei«, sagt Tony.
    Wir radeln eine völlig autofreie Straße entlang, die für das Rennen gesperrt worden ist. Wir passieren Drugstores, ein paar Zahnarztpraxen und eine Wiese, auf der ein halbes Dutzend Truthähne versammelt ist. Wir zischen an herrlich bedeutungslosen roten Ampeln vorüber. Schweigend treten wir in die Pedale.
    Die Stille wird allerdings immer wieder von lauten Rufen durchbrochen: »Achtung links!« Was bedeutet, dass wieder einmal ein Mann oder eine Frau mit gekrümmtem Rücken, das Kinn quasi auf der Lenkstange aufliegend, an uns vorbeirauscht.
    33 Minuten und zwei zuckerige Brombeer Energy Packs später lassen wir unsere Fahrräder zu Boden fallen und beginnen mit dem Laufteil entlang einer Strandpromenade.
    »Ich hab’s nicht eilig«, sagt Tony. »Denk nicht, du müsstest meinetwegen lossprinten.«
    »Ich hab auch nichts weiter vor«, sage ich.
    Einträchtig schweigend traben wir die Promenade entlang. Ich bin in einen stabilen Rhythmus verfallen: alle vier Schritte einatmen, alle vier Schritte ausatmen. Ich bin müde, aber nicht erschöpft. Ich glaube, ich kann’s schaffen. Ich habe genug trainiert. Mehr

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