Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
als genug. Wie ich schon sagte: Kaum etwas ist so motivierend wie die Angst vor dem demütigenden Scheitern in aller Öffentlichkeit.
Ich schaue zu, wie das Wasser gegen die Piers plätschert. Ich höre die Anfeuerungsrufe der Zuschauer. »Gleich geschafft!«, ruft ein glatzköpfiger Mann, der den Triathlon schon hinter sich hat und nun im Publikum steht. Mir macht noch nicht einmal die milde Herablassung in seinen Worten etwas aus. Langsam fängt das Ganze an, mir zu gefallen. Endlich verspüre ich das, was Chris McDougall »Freude am Laufen« nennt. Endlich weiß ich die Antwort auf die Frage, die Tony vor dem Rennen gestellt hat: »Warum?«
Wir überqueren die Ziellinie und umarmen uns männlich-sportiv. Dann gehen wir eine hölzerne Rampe hinunter zurück zu unseren Fahrrädern. Tony sieht mich an und sagt: »Wir haben’s geschafft!«
Und ich sage darauf zwei Sätze, über die ich mich schon wundere, als ich sie noch gar nicht ganz ausgesprochen habe: »Ja, hat irgendwie Spaß gemacht, oder? Also ich würde glatt noch mal mitmachen.«
Auf der Fähre zurück versuchen Tony und ich, zu einem abschließenden Urteil zu kommen: Ist ein Triathlon alles in allem nun gut oder schlecht für den Körper? In vielerlei Hinsicht ist er eher ungesund. Zunächst einmal wegen des anschließenden Pancake-Frühstücks, bei dem sich alle Teilnehmer, darunter natürlich auch ich, bis oben hin mit Einfachzuckern vollstopften. Aber auch wegen des Schlafmangels, des Lärms, der drei Schluck keimverseuchten Staten-Island-Bucht-Wassers, die ich während der Schwimmrunde in die Kehle bekam, und wegen der nicht näher spezifizierten Giftstoffe in den Filzstiften, mit denen die Organisatoren die Startnummern auf Hände und Beine der Teilnehmer kritzelten.
Andererseits gibt es natürlich auch ein paar gesundheitsförderliche Aspekte. Der Triathlon hat mich immerhin dazu gebracht, Tag für Tag zu trainieren. Und was die Pancakes angeht: Mindestens einer meiner Co-Triathleten bot mir zuckerfreien Sirup an, der zumindest geringfügig besser ist als die Zuckerbrühe, in der die Amerikaner sonst ihre Pancakes ertränken. Dank des Triathlons konnte ich mich mit Tony anfreunden. Und für ein paar Wochen hatte ich ein Ziel. Wenn auch vielleicht eins, das längst nicht für jedermann nachvollziehbar ist.
Als ich nach Hause kam, ließ ich in der Diele meinen pinkroten Matchsack fallen und umarmte meine Söhne lang und fest. »Hast du gewonnen?«, fragte Zane.
»Also, ich war besser als ziemlich viele andere Leute«, sagte ich.
Das gefiel ihm.
»Aber ich war auch schlechter als ziemlich viele andere.«
Das gefiel ihm weit weniger.
Nachtrag: Das war nicht der letzte Triathlon, für den ich mich anmeldete. Ein paar Monate später zahlte ich eine deftige, nicht erstattbare Anmeldegebühr für den New York Triathlon: eine Meile schwimmen im Hudson River, knapp 25 Meilen radeln und sechs Meilen laufen. Ich trainierte viel und fühlte mich fit. Zwei Wochen vor dem Rennen schickte Tony mir dann die folgende E-Mail:
»Hast du mitbekommen, dass es in der Kläranlage auf der 135th Street gebrannt hat? Bis die Schäden repariert sind, laufen stündlich 19 Millionen Liter Abwasser ungeklärt in den Hudson. Die Stadtverwaltung empfiehlt allen Bürgern, jeglichen Kontakt mit dem Flusswasser zu vermeiden. Bitte überleg dir das mit dem Triathlon noch mal.«
Er musste mich nicht lange bitten. Klar, der Kick der Herausforderung war groß. Aber gegen 800 Millionen Liter Abwasser kam er einfach nicht an. Inzwischen habe ich mich fürs nächste Jahr angemeldet.
KAPITEL 25
Die Augen
Von der Aussicht auf ein Leben ohne Brille
Ich schaue mir leidenschaftlich gern die Dokumentarfilme über den menschlichen Körper an, die der Discovery Channel regelmäßig zeigt. Die Erläuterungen sind in diesem bewundernd-begeisterten Tonfall gehalten – da bin ich jedes Mal ganz stolz auf meinen Haufen Haut und Knochen. Die Sprecher reden wie die Gemüsehobelverkäufer in der Fußgängerzone: »Das Auge kann 100 Millionen Farben voneinander unterscheiden! Es kann innerhalb einer Fünftelsekunde von unendlicher Ferne auf extreme Nahsicht umstellen! In völliger Dunkelheit kann es das Licht einer Kerze selbst dann noch erkennen, wenn sie über 20 Kilometer entfernt ist!«
Diese Fakten sind in der Tat verblüffend.
Leider ist das Leistungsvermögen meiner eigenen Augen weit weniger verblüffend. Es ist mangelhaft. Ich bin kurzsichtig, und ich leide unter Astigmatismus. Was
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