Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Ganzen keine Anomalien zu entdecken.«
Er klickt auf den Bildschirm seines Macs und öffnet den Ordner mit meinen Daten. Ich sehe Diagramme, auf denen hektische Ausschläge verzeichnet sind, und traubengroße Bilder meines Hirns, das mal rot, dann wieder gelb oder grün aufleuchtet.
Bei den Tests im Bereich Ausdrucksvermögen habe ich gut abgeschnitten. Vermutlich, weil der Wettkämpfer in mir stärker war als mein Anstand.
»Sie haben den richtigen Beruf gewählt«, sagt Dr. Fallahpour.
Und die schlechten Nachrichten?
»Ihr Frontalhirn reagiert ein wenig verlangsamt. Möglicherweise sind die exekutiven Funktionen Ihres Gehirns davon betroffen, das heißt, Sie haben vielleicht das eine oder andere Problem in Sachen Impulskontrolle, Handlungs- und Aufmerksamkeitssteuerung. Es könnte auch sein, dass Sie unter Stimmungsschwankungen leiden.«
Außerdem erfahre ich, dass mein Kurzzeitgedächtnis bei den Wortlisten-Übungen miserabel abgeschnitten hat. Ach ja, und noch etwas: Die NASA sollte es sich gut überlegen, bevor sie mich in Cape Canaveral als Ansager für Raketenstarts anheuert: Beim Rückwärtszählen habe ich mich als ziemliche Niete erwiesen.
Also ein … gemischtes Ergebnis.
»Alles in allem ist Ihr Gehirn ganz gut«, sagt Fallahpour. In vielen Bereichen sogar überdurchschnittlich gut, in anderen dafür unter dem Durchschnitt.
Fazit: Mein Gehirn ist kein Lamborghini. Sondern eher ein Lexus oder ein Toyota.
Ein annehmbares Ergebnis. Ich hatte auch kein anderes erwartet – trotzdem ist es ein wenig enttäuschend, genau das von einem Herrn im weißen Kittel offiziell bestätigt zu bekommen. Bis zum Schluss hatte ein kleiner Teil von mir die irrwitzige Hoffnung gehegt, Dr. Fallahpour würde mit meiner Akte im Arm zur Tür herein stürmen und rufen: »So herausragende Ergebnisse habe ich noch nie gesehen! Ihr Gehirn gehört ins Guinness-Buch der Rekorde!«
Muskelmann vs. Nerd
Geschichten, in denen Sportskanonen gegen Intelligenzbolzen antreten, habe ich schon immer gemocht. Als ich damals für mein Buch die Bibel las, fiel mir auf, dass die Geschichte von David und Goliath genau genommen ein historischer Vorläufer der ganzen College-Komödien über die Rivalität zwischen dumpfbackigen Körperfanatikern und unscheinbaren Nerds ist: auf der einen Seite der große, tumbe, kampfeslustige Muskelmann Goliath, und auf der anderen Seite der schmächtige, listige David mit seiner Steinschleuder. Nur dass der damals noch keine Nerd-Brille trug. Alle gehen davon aus, dass David den Kampf nicht übersteht. Doch er nutzt seinen herausragenden IQ als Waffe, besiegt den Stumpfbock Goliath und zieht mit den heißesten Cheerleaderinnen von dannen. Oder zumindest darf er sage und schreibe acht Frauen gleichzeitig ehelichen. Was zu biblischen Zeiten ungefähr auf dasselbe hinauslief.
Letztlich lässt sich sogar die gesamte jüngere Geschichte auf den Kampf zwischen Schlauköpfen und Muskelmännern um die Vorherrschaft reduzieren. In seinem Buch American Nerd: The Story of My People schreibt Benjamin Nugent, dass dieser Konflikt in der industriellen Revolution wurzelt, die den Männern unmännliche, sitzende Tätigkeiten aufzwang. Weshalb einige von ihnen sich bemüßigt fühlten, ihre Männlichkeit anderweitig unter Beweis zu stellen.
Im Laufe der Zeit wurde die Kluft zwischen den beiden Lagern immer größer. Auf der einen Seite standen Leute wie Teddy Roosevelt, die Sportskanone unter den amerikanischen Präsidenten und ein ausgewiesener Frischluftfanatiker, der gegen »junge Männer mit Hängeschultern« wütete. Und auf der anderen Seite gab es Leute wie Marcel Proust, einen hängeschultrigen Franzosen, der in den zehn Jahren, in denen er sein Meisterwerk schrieb, nur höchst selten das Bett verließ.
Wie nicht anders zu vermuten, haben meine Freunde und ich immer mit dem hängeschultrigen, bücherversessenen Lager sympathisiert. Mein persönliches Motto lautete: Mens sana in corpore insano .
Doch in der Hinsicht war Project Health ein Schock für mich als Nerd und wie ich die Welt sah. Denn das Klischee von den cleveren Hänflingen und den dumpfbackigen Muskelmännern entspricht nicht der Realität. Eher ist das Gegenteil der Fall. Aus wissenschaftlicher Sicht müsste im realen Leben der Typus » cleverer Muskelmann« überwiegen. Denn Ausdauertraining verbessert die Hirnleistung. Was ich ziemlich unfair finde. Ein weiteres Beispiel für die Neigung der Natur zu kleinen zynischen Späßen.
Zum Glück für
Weitere Kostenlose Bücher